Deutsche in Finnland

Antje:
Ich konnte das selber nicht so gut formulieren, aber Du sprichst mir aus der Seele. Meine beiden "Zwerge" freuen sich durchaus aufs Wochenende und auf den Urlaub, um mit uns Eltern zusammen zu sein. Sie freuen sich aber auch, wenn die Langeweile dann wieder um ist und sie endlich wieder in die Tagesstätte dürfen.

Ich empfinde es auch als sehr angenehm, dass die Zusammenarbeit mit der Tagesstätte so gut läuft, mit einfachen Absprachen natürlich, aber ohne ständige Diskussionen mit anderen Eltern oder mit der netten, besserwissenden Kindergartentante über Erziehungsziele o.ä. Das muss ja nun jeder selber wissen, außer irgendetwas läuft bei der Erziehung deutlich aus dem Ruder..

Georg hat geschrieben:fs Wochenende und auf den Urlaub, um mit uns Eltern zusammen zu sein. Sie freuen sich aber auch, wenn die Langeweile dann wieder um ist und sie endlich wieder in die Tagesstätte dürfen.

Während sich mein Töchterchen (fast 4 ) noch freut, wenn ich sie nachmittags abhole, mault mein Grosser (fast 6) eigentlich jeden Tag, weshalb ich denn "schon" komme, und warum er denn schon nach Hause "müsse". Er spielt hat am liebsten mit seinen Freunden und das darf er auch nach der Vorschule, aber wehe, ich komme mal ein Stündchen eher!

Die Zusammenarbeit mit den Erziehern/Lehren klappt wirklich gut, obwohl sie zu Anfang wohl etwas überrscht waren, dass ich fragte, wie es meinen Kindern so geht, was sie machen, mit wem sie spielen. Diese Art Fragen kommen wohl nicht so oft von den Eltern. Von mir übrigens auch nicht (mehr), denn ich sehe ja, wie gut es meinen Kindern geht und ausserdem bekomme ich alle Info jetzt ohne Fragen, denn sie haben sich an mich gewöhnt...

Der dreimonatige Sommer war trotz täglichem Strandbesuch und gewachsenen Schwimmhäuten viel zu langweilig und zum Ende hin haben wir (d.h. mein Sohn) auch schon die Tage gezählt bis zum "Semesterbeginn". :

Wie das in der Sommerpause klappen soll, wenn ich mal nicht mehr so flexibel zu Hause sein kann, weiss ich auch nicht - Oma & Opa sind ja leider zu weit weg und arbeiten selbst noch.

Eine Sache, wo beide Seiten sich jeweils eine Scheibe abschneiden könnten, ist die Frage der Obrigkeitshörigkeit bzw. -unhörigkeit.
Während die Finnen dazu tendieren alles widerstandslos zu schlucken, was die Staatsführung beschliesst (Motto: die wissen das schon), protestieren die Deutschen vorsichtshalber erst einmal beim kleinsten Anzeichen, dass die eigenen Interessen darunter leiden könnten (Motto: wenn ich das nicht bekomme, darfst du das auch nicht kriegen).
Hier würde ein "Potentialausgleich" wohl zu einem guten Ergebnis führen.

Ein anderes, bereits erwähntes Thema ist der Nationalstolz. Hier können die Deutschen etwas abgucken, nämlich den völlig unverkrampften Umgang mit dem Thema. Warum soll nicht -wie ich es in Tammisaari erlebte - die örtliche Garnison mit allem, was Räder hat, am Unabhängigkeitstag zum Vorbeimarsch antreten? Auch hier tendieren wir Deutschen leicht dazu zu, zu gründlich zu sein, und deswegen ins andere Extrem zu verfallen. In Deutschland diskutiert man ja nicht darüber, in welcher Form, sondern ob die Bundeswehr am 3.10. mitfeiern darf. Und dabei geht es mir NICHT darum, den Holocaust kleinzureden o.ä. Das sei mir als "gelernter" Historiker fern. Es geht viel mehr darum, die Armee als selbstverständlichen Teil der Gesellschaft zu sehen, und dadurch solchen schauderhaften Ereignissen vorzubeugen. Man sieht das an den jüngsten Ereignissen in Afganistan - die Soldaten stehen unter Überwachung der Öffentlichkeit und werden bei Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen. Und bitte- die ganze Gesellschaft ist nicht perfekt, warum sollten Entgleisungen nicht auch bei diesem Teil der Gesellschaft passieren?

Zum Glück IST die Kinderbetreuung hier wirklich bis zum Nachmittag gesichert, denn bei den schmalen Gehältern wird meine Frau auch früher als wir uns das gewünscht hätten, ins Berufsleben zurückkehren müssen, obwohl sie gern mehr Zeit mit unserer Tochter zuhause verbracht hätte.

Man bekommt hier schon den Eindruck, dass den Kindern mehr Verantwortung und Selbstständigkeit in Kiga und Schule beigebracht wird als in D - natürlich muss man das auch im Kehrschluss etwas kritischer betrachten, denn Dank langer Arbeitstage für BEIDE Elternteile droht natürlich auch in Finnland die Familie auf Dauer irgendwann zur blossen Wohngemeinschaft zu mutieren. Gut für Arbeitgeber, aber weniger für die Gesellschaft....

denn Dank langer Arbeitstage für BEIDE Elternteile droht natürlich auch in Finnland die Familie auf Dauer irgendwann zur blossen Wohngemeinschaft zu mutieren.

Inzwischen bin der Meinung das sich die Familien auflösen werden, die Familie ist auf dem absterbenden Ast, allen Beteuerungen zum trotz.

Sid hat geschrieben: Umgang mit Schnee im Strassenverkehr - meistens aufgeräumt, (recht gut) vorbereitet, alles geht ihren Weg

Das muss jetzt dirket noch mal aufgreifen. Im Strassenverkehr: ja, aber auf Gehsteigen: NEIN!!!! Alles ist spiegelgatt, kaum gestreut und wegreäumt wird Eis/Schnee auch recht langsam, finde ich.
Ich bin heute über die vereisten Strassen Turkus geschlittert (in Stiefeln mit Tiefprofil, keine Stöckelschuhe!) und hatte Glück, mich am Buggy festhaten zu können - obwohl das auch so eine Sache ist!

Aber grade eben fand ich mich doch auf dem Po sitzend im Schnee - beim Abholen vom Kiga! Also gerade vor öffentlichen Gebäuden, wo viel Laufkundschaft herrscht, müsste doch geräumt und getreut sein, oder?

Klar, der Winter ist etwas schneller als erwartet hereingebrochen, aber auch von früheren Erfahrungen sind finnische Gehsteige im Winter lebensgefährlich - zumindest für ungeübte Nicht-Finnen! Ich wundere mich ehrlich, wie sie es schaffen, nicht alle ständig auf die Nase zu fallen!

Wie ist es denn geregelt? In D muss ja jeder buchstäblich vor seiner Haustür kehren bzw. streuen - das gilt für Privatpersonen wie für Geschäfte. Kümmert sich hier irgendjemand um meine armen - inzwischen blauen- Knochen?!

Antje hat geschrieben:

Sid hat geschrieben: Umgang mit Schnee im Strassenverkehr - meistens aufgeräumt, (recht gut) vorbereitet, alles geht ihren Weg

Das muss jetzt dirket noch mal aufgreifen. Im Strassenverkehr: ja, aber auf Gehsteigen: NEIN!!!!

(..)

Wie ist es denn geregelt? In D muss ja jeder buchstäblich vor seiner Haustür kehren bzw. streuen - das gilt für Privatpersonen wie für Geschäfte. Kümmert sich hier irgendjemand um meine armen - inzwischen blauen- Knochen?!

Da hast Du recht Antje.

Hab mich nicht richtig ausgedrückt. Bürgersteige, Privatparkplätze - eine Frechheit ist das! Meine Kollegin hatte im Feb einen Unfall und liegt seither zuhause mit Muskelschwund und nicht heilenden Wunden. Wurde 7 mal operiert (Knie und Schienbein zertrümmert, da am Glatteis gefallen), drei davon misslungen. Sie war als Privatpatientin (Versicherung der Firma) geschlagene vier Wochen in einem völlig altbackenen Hospital (Tööllö) auf einem 7 Patientenzimmer . Einfach nur furchtbar. Schlechtgelaunte Mummos, offene Türen, Mobiltelefonate der Besucher. Eine Ruhe wie in einer Bahnhofshalle In den USA (auch wenn es die Gesundheit nicht wiederbringt) wäre sie schon Millionärin. Hier lebt sie vom KELA Geld und es ist noch unklar ob sie je wieder beschwerdefrei gehen wird.

Ich bin am Montag beim Blitzeis nach 9 Uhr in der Firma angekommen, da war nix gemacht und sofort ist ein Wagen in einen eingeparkten Wagen reingescheppert. Wofür werden denn Hausmeister bezahlt...

Ich bin auch sehr schwer aufm Eis gefallen auf einem spiegelglatten Privatsgrundstück. Hab mal nachgefragt, wer zu Verantwortung gezogen werden kann. Ich glaub es traut sich keiner was zu sagen. Deine Beine, Dein Pech

Antje hat geschrieben: Wie ist es denn geregelt? In D muss ja jeder buchstäblich vor seiner Haustür kehren bzw. streuen - das gilt für Privatpersonen wie für Geschäfte. Kümmert sich hier irgendjemand um meine armen - inzwischen blauen- Knochen?!

Ist in Finnland ja - im Prinzip - genauso.
Bloß halten es die Finnen mit diesem Thema genauso, wie mit vielen anderen Regeln auch: keiner macht's und keiner schert sich drum und fürs Nichteinhalten wird man nicht bestraft...

Gehört zur gleichen Kategorie wie
- Fahrradfahren ohne Licht
- Nicht vor Zebrastreifen anhalten
- Motor (bis zu 15Min) laufenlassen
- Bohren/Hämmern/Renovieren wann es einem gerade einfällt (z.B. Sonntag um 21h)
- Mülltrennung/-vermeidung
- Nicht anstehen können
Naja, mit der Liste könnte ich wohl ewig weitermachen

... zum Kontrast gibt es in Finnland aber dann tausende von nichtgeschriebenen Regeln, die sie seit Jahrzehnten (-hunderten?) einhalten und deren Mißachtung wirklich verpönt ist:
- Man Muß Milchtrinken
- Man Muß Arbeiten (auch Eltern mit kleinen Kindern)
- Man Muß Saunen
- Man Muß Jeden Tag Stunden Draußen verbringen
- Man Muß Ein Eigenes Haus Haben

Sanna, eins vergessen:

... betrunken fährt man Fahrrad, kein Auto

Gibt es irgendwie zwei Finnlands? In dem Finnland, in dem ich wohne, ist es nämlich bei weitem nicht so schlimm wie in dem, von dem Ihr berichtet. Sicherlich gibt es auch hier einiges zu kritisieren, aber so total?

Kann mich nur anschließen. Sannas "Muss-Liste" kann ich nun wirklich nicht bestätigen! Und auch gerade Rücksichtnahme finde ich viel stärker ausgeprägt als in D (Nachbarschaft, Anstehen im Supermarkt z.B.)

Ich wohne in einem Reihenhaus. Wïr MÜSSEN unsere Einfahrt räumen und streuen (beim Einzug kam ein Infobrief) und es wird hier allgemein auch befolgt. Nur auf der Straße/allgemeine Einfahrt/Gehweg macht es der Räumdienst und das sehr gut (ruhige Straße und trotzdem kommen sie schnell zum Räumen)

Sid hat geschrieben:Ich glaub es traut sich keiner was zu sagen.

Sehr Finnisch, finde ich! Was sie nicht zu verstehen scheinen ist folgendes: wenns in der Stadt glatt ist, gehe ich weniger gern zum Einkauf. Fazit: weniger Umsatz. Bei geräumten Strassen hingegen, na Ihr wisst schon.

Aber hier ists ja eh so: es gibt kaum Auswahl/Konkurrenz, also müssen die Leute früher oder später doch kommen - und tuns auch! Ich bin da konsequent, auch wenns manchmal wehtut und warhrscheinlich dumm ist und mir mehr schadet als dem Serviceanbieter (Hah: Oxymoron: finnischer Servisceanbieter!! )

Also bisher haben folgende Läden unsere Kundschaft verloren:

Haupt-VW-Werkstatt (stinkender Service obwohl wir sehr viel Geld da gelassen hatten! Hab zum Glück eine neue, kleine gefunden!)

Toyota Händler (der mir erst die Reifen wechseln wollte und dann einen Rückzieher machte, weil ich keinen Toyota fuhr/bei ihm gekauft hatte )

Bootszubehörladen, der trotz nachgefragtem Versprechen Ware nicht zurücknahm sondern nur gegen Warengutschein umtauschte

Babyladen, der mir zwar gern was verkaufte, mir dann aber vollbepackt mit Kinderwagen, Autositz und Taschen und Baby! nicht mal die Tür öffnete

Nja, es gibt noch so einiges, aber ich hör mal auf zu schimpfen...

... und pflege mein angeschlagenes Knie - aua!

Georg hat geschrieben: Sicherlich gibt es auch hier einiges zu kritisieren, aber so total?

Von total ist gar nicht die Rede: ich hatte heute einen Ausrutscher und nun ein schmerzende Knie und bin etwas empört über das Glatteis, heute in Turku und was nicht dagegen getan wird. Ich falle nunmal ungern und finde schon, dass Strassen geräumt sein sollten besonders vor öffentlichen Gebäuden.

Ich fahre auch einen Toyota..bei mir gab es keine Probleme beim Kundenservice. Das Auto habe ich nicht dort gekauft und zu den Inspektionen gehe ich zu einer freien Werkstatt. Trotzdem wurden einmal dort anstandslos die Reifen gewechselt und ein spezielles elektronisches Teil erneuert (wegen letzterem war ich dort.). Um die Wartezeit zu verkürzen wurde mir sogar Kaffee und Kekse angeboten. Alle waren sehr freundlich. Kann wirklich nicht klagen.
Insgesamt war ich ein paar Mal schon dort (wenn es was spezielles toyotaspezifisches ist).

Ninni hat geschrieben:Und auch gerade Rücksichtnahme finde ich viel stärker ausgeprägt als in D (Nachbarschaft, Anstehen im Supermarkt z.B.)

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Wie meinst Du das und in welcher Hinsicht widerspricht das Sannas "Mussliste".