Sozialleistungen und Gesundheit (war: Zahnarztvorsorge)

Ideenaustausch zum Thema Leben in Finnland.
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Anita
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Beitrag von Anita »

Ich habe zum Glueck keine Problemzähne. Ich war aber trotzdem vor einigen Monaten zur Kontrolle bei einem privaten Zahnarzt. In Tampere liegen die Wartezeiten fuer eine normale Zahnkontrolle bei dem städtischen Zahnarzt bei ca. einem Jahr. Aus diesem Grunde bin ich zu einen privaten Zahnarzt gegangen.
Die Kontrolle war sehr gruendlich. Vier offenliegende Zahnhälse wurden behandelt und eine gruendliche Zahnsteinentfernung gab es auch noch. Das ganze hat ca. 40 min gedauert und 140,- € gekostet. Kela hat mir um die 70 € erstattet, so dass mich der Besuch rund 70 € gekostet hat.
Ärztin und Zahnarzthelferin waren freudlich, die Behandlung sehr gut und ich habe sofort einen Termin bekommen.
Ich habe einfach keine Lust 1 Jahr auf einen Arzttermin zu warten. Und 70€ sind fuer mich ok.
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Norbert
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Beitrag von Norbert »

Georg hat geschrieben: Wer für sich beschlossen hat, dass man in Finnland von der öffentlichen Gesundheitsfürsorge keine gute Pflege bekommt, dem wird man mit sachlichen Argumenten natürlich nicht beikommen können. Beati pauperes spiritu.
1. Wenn man nur auf einige Statistiken in Finland schaut (zB. Kindersterblichkeitsrate bei Geburten) scheint es, dass Finnland dort sehr gute Arbeit leistet, bei anderen Statistiken (Pflegebedürftigkeit) sieht es doch anders aus.

2. Die Gesundheitsvorsorge muss man hier teilweise sehr aktiv einklagen, das ist meine Erfahrung, dann passiert "etwas", gerade die etwas aufwändigeren und teueren Untersuchungen müssen schin gut begründet sein.

- ob das nun für oder gegen das System spricht ist wiederum persönliche Einstellung. Für mich gibt es hier auch eine Art 2 Klassensystem, genau wie in D.

Norbert
Sid
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Beitrag von Sid »

@Anita

Du Arme, gerade haben sie in Helsingin Sanomat berichtet, dass wohl die längsten Warteschlagen und Mangel an Personal in Tampere und Pirkanmaa ist - mit Wartezeiten sogar gut über ein Jahr.

Mein "Problem" hat sich erledigt, hab einen Terminvorschlag für den 22.12 bekommen - juhu, nur 9,5 Monate gewartet. Gut, dass Neuvola besser funktioniert :lol:

@Norbert

Natürlich gibt es erstmals nur Widerstand bei Kela. Mein Mann sollte nach einem Freizeitunfall operiert werden, da seine Rotatorenmanschette (oder so) im Arm kaputt war, so dass er nicht mal in die Hosentasche greifen konnte. Ablehnung von Kela mit Begründung "zu alt". Er war 44 :shock: Die Privatversicherung hat mit ach und krach eine [sehr gelungene] OP in Eira Sairaala für fast 5.000 Euro bezahlt. Mich ärgert nur, dass die ständig negative Schlagzeilen über Warteschlangen und Ablehnungen ans Ausland nur durchsiekern als The System of your dreams.

Und vor allem kann ich nicht verstehen, wie man aus dem Sozialsystem trotz Beschäftigung unwissend rausfliegen kann, was grundsätzlich gegen die EU-Richtlinien geht. Es gab übrigens nicht mal eine Entschuldigung für diese Ignoranz sondern ein maschinell erstelltes Schreiben mit vier identischen Absätzen aussagekräftig wie "Olet tullut Suomeen ulkomailta [Saksasta]."

Zwei Klassen wäre ja noch erträglich, wenn man sich ganz privat versichern und aus dem Kela Club austreten könnte. Aber nicht mal eine zusätzliche private Versicherung bringt was, da mehr aus- als eingeschlossen ist :roll:
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roelli
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Beitrag von roelli »

Interessant fand ich ja, das die Armee das anscheinend nicht bezahlt oder zumindest erwähnenswert fand.
hoidetut hampaat
http://www.mol.fi/paikat/Job.do?lang=fi ... or=6485160
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Anita
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Beitrag von Anita »

Also ich habe hier auch noch eine Zusatsversicherung abgeschlossen (Sairauskuluvakuutus), habe sie bisher aber nicht gebraucht. Da es wirklich unglaubliche Wartezeiten bei bestimmten Operationen (Knie, Huefte etc.) gibt, dachte ich gerade fuer diese Fälle könnte diese Versicherung sinnvoll sein. Meine Nachbarin, und das ist kein Witz, hat 3,5 Jahre auf eine Knieoperation gewartet; solange, bis sie kaum noch kriechen konnte. Ich finde das einfach skandalös und mich ärgert, dass ueber so etwas nie in der ausländischen Presse berichtet wird, sondern nur ueber Finnland´s erstklassiges und preiswertes Gesundheitssystem. Nur auf wessen Kosten!!!
Es war schon gar nicht so einfach die Zusatzvers. ueberhaupt abzuschliessen, da ich zu der Zeit gerade mal 1 Jahr hier gemeldet war und als Ausländer muss man 5 Jahre in Finnland gewohnt haben und die Krankengeschichten aus eben diesen 5 Jahren angeben. Ich habe schliesslich mit Ueberredungskuensten von der damaligen Sampo die Versicherung bekommen.

Andererseits habe ich auch schon positive Erfahrungen gemacht. In unserer Familie ist leider Darmkrebs verbreitet und ich wollte nun mit meinen 40 Jahren eine Darmspieglung als Vorsorgeuntersuchung. Das ist hier natuerlich nicht zu bekommen. Also habe ich meinem omalääkäri erzählt, dass ich seit 2 Monaten arge Darmprobleme habe. Danach läuft alles nach Schema F ab: Blutuntersuchungen, Stuhluntersuchungen, Laktoseintoleranztest. Wenn alles negativ ist gibt es sofort eine Ueberweisung zur Darmspiegelung. So war es dann auch bei mir und ich hatte dann nach drei Wochen meine Untersuchung. Ich musste zwar ein bisschen luegen, habe dann aber meine Untersuchung bekommen. Aber nervig ist das trotzdem.
Sid
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Beitrag von Sid »

Anita hat geschrieben: Es war schon gar nicht so einfach die Zusatzvers. ueberhaupt abzuschliessen, da ich zu der Zeit gerade mal 1 Jahr hier gemeldet war und als Ausländer muss man 5 Jahre in Finnland gewohnt haben und die Krankengeschichten aus eben diesen 5 Jahren angeben. Ich habe schliesslich mit Ueberredungskuensten von der damaligen Sampo die Versicherung bekommen.
Das hatte ich auch! Turva hat mir sogar geantwortet "Vi sell our service only to Finns". Ich wollte das an den ombudsman schicken, aber dann dachte ich, screw you. :roll: Höchst diskriminierend! Jetzt hab ich nach 5 Jahren in der TAbelle nachgeschaut, wie enorm die Beiträge für Frauen (!) in die Höhe schiessen, also entweder einen Arbeitgeber mit noch besseren Leistungen finden (über meinen kann ich nicht meckern), oder einfach dieses Notversorgungssystem so hinnehmen wie es ist.
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Anita
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Beitrag von Anita »

Ich zahle im Moment 190,- € jährlich fuer die Zusatzversicherung. Aber da ich sie bisher noch nicht in Anspruch genommen habe, kann ich auch nichts darueber sagen, wie kulant die Versicherung im Endeffekt wirklich ist. Die Versicherungssumme liegt bei 50.000 € und mit Erreichen des 60. Lebensjahres erlischt sie automatisch.
Der Begriff "Notversorgungssystem" beschreibt das finnische Gesundheitswesen wirklich gut!
Sid
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Beitrag von Sid »

Gestern hat eben die Dame von dem Zahnarztzentrum angerufen und wg. Krankheit der Ärztin (wer glaubt's...) den Termin verschoben - um vier Monate (hab schon 10 Montate gewartet). Die Tatsache ist, dass nun mein Mann früher dran kommt als ich (im September angerufen -- im Januar Termin -- keine Probleme nur Kontrolle, was auch auch sehr aufrichtig zugegeben hat).

Wie soll ich meine Meinung über die auf Lügen aufgebaute "Wohlfahrt", "Vorsorge" und "kostenlose Versorgung für alle" (gerne dann mal in ausländischen Zeitungen erwähnt :roll: ) revidieren? Die lokalen Zeitungen sind voll von Reportagen und Zahlen, die besagen, dass es nicht funktioniert, das Personnal fehlt, lächerliche Gehälter gezahlt werden und es wird nix dagegen getan. Ich hab Verständnis, dass sie unterbesetzt sind und einfach keine Leistungen zusichern können. Dennoch hatte ich das Bedürfnis, dieser Person per Telefon an die Kehle zu springen. Meine Meinung.

Bin immer privat gegangen und werde das weiterhin (anscheinend) tun. Die obige Geschichte nur aus Prinzip getestet :evil: .
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roelli
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Beitrag von roelli »

Sid hat geschrieben:Jetzt hab ich nach 5 Jahren in der TAbelle nachgeschaut, wie enorm die Beiträge für Frauen (!) in die Höhe schiessen,

Das soll aber bei den Privaten in D auch so sein, weil bei denen Geschlecht ein Unterscheidungskriterium ist. Den bei der öffentlichen Vorsorge gilt:
Frauen sind Hauptleistungsbezieher, aber nicht Hauptzahler
http://www.aerztezeitung.de/docs/2001/0 ... 8a1701.asp
Sid
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Beitrag von Sid »

Das ist mir klar, dass in D auch die Unterschiede gross sind. Und es mag sein, dass in D die Frauen nicht die Hauptzahler (deutlich mehr Hausfrauen) sind, hier in Finnland schon. Wenn man bedenkt, wieviele Frauen berufstätig sind. Dann noch die Relation der (oftmals, aber nicht immer :) benachteiligenden) Frauengehälter in Finnland zu den Zahlungssätzen.
Sanna B.
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Beitrag von Sanna B. »

Sanna B. hat geschrieben:In Tampere klappte es mit der Wartezeit für eine Kontrolle bei einer Suuhygienisti ganz ok, bin ca. 6 Wochen später drangekommen.

Seit dem bin ich aber nimmer zufrieden: sie wollte gerne daß ein Zahnarzt meinen letzten Weißheitszahn etwas genauer anschaut und meinte daß ich einen neuen Termin bekäme. Der o.g. Termin war Ende August und ich habe bisher noch nicht einmal Info gekriegt, wann der neue Termin ist (vermtl. dann August 2007... :roll: )
Tja, seit Ende August warte ich also auf einen Brief mit einem Termin.... :roll:
Weil mir das Warten doch etwas lang vorkam, rief ich eben bei der "Terminvergabe" der Stadt Tampere an: nein, meine Daten sind nicht verlorengegangen, ich bin halt in der Warteschlange... :roll: :roll: "Ziemlich bald" allerdings soll ich einen Brief mit dem Termin bekommen - bin mal gespannt wann der Termin dann tatsächlich ist. Vielleicht wird's ja wirklich August :mrgreen:

Vorsorge ist in diesem Land echt ein Fremdwort... :roll:
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Neumi
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Beitrag von Neumi »

Habe mich auch für eine Kontrolle (vor 2 Wochen) angemeldet. Antwort, es sind 750 Wartenede vor Dir. Dein Termin wird später bestätigt, die Kontrolle ist voraussichtlich im Mai. :roll:

Da es nur eine Kontrolle ist, ist es mir eigentlich egal ob ich 4 Wochen oder 4 Monate warten muss.
Zuletzt geändert von Neumi am Mi Jan 24, 2007 8:43 am, insgesamt 1-mal geändert.
Sid
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Beitrag von Sid »

Sanna B. hat geschrieben: Vorsorge ist in diesem Land echt ein Fremdwort... :roll:
Sehr treffend gesagt :roll: Ich warte seit dem 1. März 2006 und mein Termin wird so ziemlich genau am 20.04 stattfinden, vorausgesetzt er wird nicht wieder zum zweiten Mal abgesagt, weil der Zahnarzt Burnout hat oder sie haben sich im Jahr geirrt :twisted:

Das dient eh nur Testzwecken, werde zwischenzeitlich wohl bei dem Zahnarzt in Espoo Hammaslääkärikeskus vorbeischauen - günstiger als meine frühere private Zahnärztin, supertoll und neuerdings an Oral Sairaala angeschlossen, also womöglich springen noch welche S-Bonus Gutscheine dabei raus. Das ist es mir wert.
Neumi hat geschrieben: Da es nur eine Kontrolle ist, ist es mir eigentlich egal ob ich 4 Wochen oder 4 Monate warten muss.
Mir nicht. Irgendwie sollte es doch schon unter 14 Monaten machbar sein, denn sonst ist es keine Vorsorge mehr. Echt ein Witz in einer Stadt mit 40.000 Einwohnern!
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Neumi
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Beitrag von Neumi »

14 Monate ist schon eine Frechheit, würde ich nicht auf mir sitzen lassen.
4 Monate finde ich für eine Kontrolle noch OK, da ich ja weiss, wie lange die Wartezeit ist, trage ich bei der Anmeldung damit Rechnung.
Sid
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Beitrag von Sid »

Hier ein Ergebnis, kommentarlos.
OECD: Class Gap in Health Care Quality
Published 29.01.2007, 08.54

Poor people get worse health care than the middle class and wealthy, even in Finland's welfare state. This is according to research conducted by the OECD.

A patient's income affects the quality of health care in Finland more than it does in other industrialized nations. The problem is more acute only in Portugal and the United States.

Finland's National Research and Development Centre for Welfare and Health has identified several reasons why the poor are getting substandard care. People with regular working contracts more often than not have access to on-the-job health care, which is very accessible and free of charge.

Public health care centres, on the other hand may be far away, involve long lines, and result in some fees – all of which may deter someone in need of health care.

This particularly affects pensioners and people who work part-time or who change employers frequently.

Anmerkung: es sollte c*h*a*n*g*e heissen, der Smileyscript ist hier sehr passend, *gröhl*

The National R&D Centre warns that the problem could get worse if public health centres' ability to care for their customers continues to erode.
YLE
http://www.oecd.org
Antworten