Hallo,
nun ist mein Finne ja nicht ganz reinrassig
, aber dafür schon äußerlich betrachtet erstaunlich finnisch. Wenn er irgendwo fremd ist, redet er sehr wenig und wirkt unterkühlt, ist aber eigentlich nur schüchtern.
All die Vorurteile (bis auf die Nachbarin und den Alkohol) treffen auf meinen Finnen eigentlich auch zu, nur dass ich die Ursachen weniger darin sehe, dass er gefühlskalt ist. Es ist ein bisschen so wie mit Vulkaniern. Er hat gerade wegen seiner starken Gefühle gelernt sie so sehr unter Kontrolle zu halten, dass man ihm nichts anmerkt und er wiederum kalt wirkt.
Er vergisst Geburtstage, einfach weil er sie vergisst (auch seinen eigenen) und macht Geschenke nur, weil er "muss". Muss er ja gar nicht, aber das ist so eingepflanzt. Er ist immer darauf bedacht nichts falsch zu machen und macht dann eben im Zweifelsfall gar nichts. Große Gefühle gesteht er nur auf Umwegen und kleine Aufmerksamkeiten gibt es fast gar keine.
Aber ich sehe das irgendwie anders. Blumen und Pralinen empfinde ich persönlich als ritualisiert und wenn man jeden Tag sagt, dass man sich liebt, schleift sich eine Routine ein und beim millionsten Mal verliert es an Wirkung. Deshalb ist mir die Art meines Finnen lieber. Ebenso bei Entschuldigungen, die sind zehnmal soviel wert wie von jemandem, bei dem das glatt über die Lippen geht.
Wenn er sich entschuldigt oder ein Gefühl eingesteht, dann weiß ich, er hat darüber tatsächlich sehr lange nachgedacht und das ist dann nicht so dahingesagt.
Und wenn es so aussieht als sei Koskenkorva, Formel1 und Sauna wichtiger, dann ist das m.E. bei vielen Exemplaren auch nur deshalb der Fall, weil man sich in diesen Disziplinen nicht so in die Nesseln setzen kann wie bei einer Frau. Viele haben einfach Angst. Behaupte ich.
Wichtig ist für mich, dass ich weiß, dass er nicht wirklich gefühlskalt ist, sondern nur Angst hat und es nicht gewöhnt ist. Der Vorteil, wenn jemand so schüchtern ist, ist ja auch, dass er eben nicht mit der schönen Nachbarin (die bei uns übrigens über 70 und zahnlos ist) flirtet und nicht bei der nächsten Krise gleich über alle Berge ist.
Dafür ist er sehr konstant, verlässlich, trotzdem abwechslungsreich und ich komme mit seiner "finnischen" Art besser klar als mit so manchem überschwänglichen Menschen. Es hat alles zwei Seiten.
Und natürlich sind alle Menschen Individuen, ich hab ja zum Beispiel auch keine Gartenzwerge und werde nicht blass, wenn jemand im Parkverbot steht. Ich bin unpünktlich und lass auch mal den Abwasch stehen, wenn draußen schönes Wetter ist - ziemlich undeutsch.
Trotzdem gibt's da schon ein paar kulturelle Verwehungen. Die kann man sich übrigens auch aneignen. In Holland habe ich sehr viel besser in die Mentalität gepasst als in Deutschland.
Außerdem habe ich auch beobachtet, je ländlicher, desto klischeehafter. Also in Somero sind die Finnen schon mehr wie im Kaurismäki-Film als z.B. in Helsinki. Ebenso wie man echtes deutsches Spießertum auch eher auf dem niederbayrischen Kaff bewundern kann als in Hamburg-Eimsbüttel.
Also es gibt nicht "die Finnen". Aber wenn es sie gibt, dann mag ich sie. ;o)
Liebe Grüße von Varis