Deutsche in Finnland

Wie sollte man Rechtssystem definieren? Beugen, strecken, dehnen?

???

Ich finde auch wie Engelbert eingangs geschrieben hat, daß man nicht allzu überheblich sein sollte. Niemand hat uns dazu gezwungen in Finnland zu wohnen. Wenn man sich zu sehr auf die negativen Dinge konzentriert macht man es sich selber schwer hier zu wohnen. Mir ging es z.B. mit dem Wetter so. Die ersten paar Winter hab ich mich fast jeden Tag geärgert. Mittlerweile akzeptiere ich den Winter und kann ihm sogar positive Seiten abgewinnen.

Akzeptieren heisst aber nicht, daß ich mich dadurch umkrempeln lassen muss. Nicht aufregen nur wundern, ist manchmal leicht gesagt, die Einstellung kann das Leben aber leichter machen.

Hier ein paar Punkte über die ich mich schon stark gewundert habe (zusätzlich zum bereits genannten)
- Urlaubssystem, werde ich nie kapieren warum ich 6 Tage Urlaub pro Woche brauche, wenn ich doch nur 5 Tage arbeite. Wenn ich 2 Wochen im April nehme, ist das jetzt mein Winter- oder mein Sommerurlaub? Warum muss ich erstmal ein Jahr arbeiten damit ich überhaupt Urlaub bekomme und noch länger für die Woche im Winter? usw.
- Warteschlangen vor Kneipen und Clubs
- Warum haben Vorfahrtstrassen oft kein Schild das mir anzeigt ich habe Vorfahrt. Wie oft hab ich schon gebremst weil ich gedacht habe es gilt "rechts vor links" und dann hab ich bemerkt die andere Strasse hat ein "Vorfahrt Achten" Schild

Ausserdem die schon gennannten:
- Alkoholkultur
- Autopreise, Autoimportzölle

"Norbert"]

Lustig sind auch meine Erfahrungen mit der Polizei.

Noch ein Beispiel: Mein Mann fährt früh um 6 auf menschen- und autoloser Strasse und biegt an einer T-Kreuzung ohne zu blinken nach rechts ab. Hätte er nach links gewollt, wäre er in der linken Spur, es ist also deutlich zu sehen, ob man links oder rechts fahren will. Gut: es besteht Blinkpflicht, er war im Unrecht, ABER muss ihn die Polizei deswegen anhalten, belehren, vorsichtsghaber auf Alkohol testen? Er hätte deswegen bald den Zug verpasst. Dafür dürfen aber auf der selben Strasse jeden Tag alle wie sie wollen rasen, obwohl es eine 40er Zone ist mit vielen verdeckten Einfahrten und Familienhäusern mit entsprechend vielen spielenden, fahrradfahrenden Kindern. Ich finde, hier wird an der falschen Stelle kontrolliert und belehrt!!!

Vermieter sind auch so ein Thema. Bin mir da nicht so ganz sicher, aber ich meine in Deutschland ist es nicht üblich, daß der Vermieter einen Schlüssel zur Wohnung hat. War zumindest bei meiner Wohnung in AB nicht so. Hier ist das aber völlig normal.

Ausserdem ... die Kaution. Schon mal was von der Pflicht gehört die Kaution zum Eckzins anzulegen? Hier ist das nicht der Fall. Ich musste schon bei zwei Wohnungen öfters anmahnen wann denn endlich die Kaution zurückbezahlt wird obwohl es keine Mängel in der Wohnung gab. Die Vermieter hatten das Geld schlicht nicht, sie hatten so lange gewartet bis der nächste Mieter die Kaution überweist.

@maxxl

Meine Frau war auch Wohnungsbesitzerin und hatte auch den Schlüssel behalten, zum Glück. Denn nach 2 Jahren stellte sich heraus, dass die Mieterin Arbeitslos wurde und Alkoholikerin war. Eines Abens kan ein Anruf der Verwaltung, dass die Nachbarn sich über die Mieterin beschwerten und das ein unglaublicher Gestank aus der Wohnung kam... Details will ich ersparen, meine Frau jedenfalls musste als sie in die Wohnung ging sofort eine Ambulanz bestellen und sicher 4 Stunden putzen. Leider sind dies in Finnland keine Einzelfälle, somit verstehe ich die Vermieter diesbezüglich auch.

Zur Kaution : als Mieter würde ich darauf bestehen, dass die Kaution auf ein gemeinsamen Konto bezahlt wird, welches nur bei beidseitigem Zuverständnis gelöscht werden kann. Ist hier auch gang und gäbe soviel ich weiss.

Meine Vermieter hatten/haben nie einen Schlüssel zu meiner Wohnung. Auch haben wir bis jetzt immer ein gemeinsames Konto gehabt. Nach der Kündigung der Wohnung unterschrieb der Vermieter ein Formular, damit ging ich zur Bank und bekam das Geld ausbezahlt bzw die vollen Rechte auf das Konto.
Jetzt ist es ebenfalls wieder so.

Das ist gut zu wissen mit dem Kautionskonto. Meine Frau wusste das zumindest nicht. Falls ich mal wieder in die Lage komme in Finnland zu mieten werde ich darauf bestehen.

Da mir das 2 x hintereinander passiert ist dachte ich es sei normal.
Mal wieder ein typischer Fall von vorschneller Verallgemeinerung. So was ist immer gefährlich. Man macht 2 schlechte Erfahrungen und schliesst darauf auf alle im ganzen Land

roelli hat geschrieben:

Sid hat geschrieben:In der Firma (viele grosse Firmen unter einem Dach, meinstens SW-Ingenieure). Meine Kolleginnen haben nicht schlecht gestaunt, wenn unbekannte Ingenieure mir/uns Vortritt lassen, Tür aufhalten, Aufzug nochmal aufmachen. Ich glaube meine bösen Blicke haben sie gelehrt. Eigentlich sind alle ganz nett und zivilisiert, wenn sie's wollen

Das hat m.E. auch mit der Tasa-arvo Manie zutun, die man hier mancher Orten antrift, da öffnet eben jeder auch seine Tür selber.

Die Gute Alice bekommt ja gerade wiedereinmal eine Zuckerbehandlung in den D - Medien, naja, interessant sind jedenfalls die Kommentare dazu:

Wie oft muss ich noch erleben, wie Frauen erwarten, das man ihnen höflich die Türe aufhält -aber sie ohne mit der Wimper zu zucken dem nächsten ins Gesicht fallen lassen?

Link

und weils gerad so gut geht, aus dem Buch von Anne West, Der Venus-Effekt

und ich wünschte, wir hätten den Herren nicht das In-den-Mantel-Helfen und Rechnungen-Bezahlen verboten, dann hätten wir jetzt nicht so viele ungeschickte, unhöfliche Männer, die einer Frau nicht mehr den ihr gebührenden Respekt erweisen.

Am Ende klingt das, dann doch wieder etwas überholt!

Quelle

Mir wird's gerade ganz anders, noch um vier die Polizeisirenen gehört und mich gewundert...

http://www.hs.fi/kotimaa/artikkeli/Poli ... 5228123690

roelli hat geschrieben:

Sid hat geschrieben:In der Firma (viele grosse Firmen unter einem Dach, meinstens SW-Ingenieure). Meine Kolleginnen haben nicht schlecht gestaunt, wenn unbekannte Ingenieure mir/uns Vortritt lassen, Tür aufhalten, Aufzug nochmal aufmachen. Ich glaube meine bösen Blicke haben sie gelehrt. Eigentlich sind alle ganz nett und zivilisiert, wenn sie's wollen

Das hat m.E. auch mit der Tasa-arvo Manie zutun, die man hier mancher Orten antrift, da öffnet eben jeder auch seine Tür selber.

Zu diesem Thema gab es neulich einen Artikel in FAZ, weil es wohl inzwischen in D ähnlich sein muss.

Dinge, Die Verschwinden
Von Jenny Erpenbeck
...
Niemals habe ich zu den Frauen gehört, die es für unwürdig halten, wenn ihnen ein Herr in den Mantel hilft. Ich lasse mir sehr gern in den Mantel helfen, und es gab Zeiten in meinem Leben, da war ich sogar daran gewöhnt. Manchmal, ganz selten, gibt es jetzt noch diese kurze Verwirrung, wenn ich denke, will er etwa, und er denkt, weiß sie etwa, und er und ich am Mantel ziehen und uns hindrehen und herdrehen und zuwenden und abwenden und nicht genau wissen. Derlei Verwirrungen nehmen in letzter Zeit zu.
...

Kann ich heute noch davon ausgehen, dass ein Herr mir die Tür aufhält oder dass eine Dame, der ich die Tür aufgehalten habe, sich bedankt? Dass nicht ich schuld bin, wenn jemand mich schubst? Stehen die Mütter mit Kinderwagen auch nachts noch zu Füßen oder zu Häupten von Treppen und warten auf Hilfe? Bin ich ewig jung, wenn eine siebzehnjährige Verkäuferin mich duzt? Würden Sie mir helfen, diesen Tisch (massive Birke) ins Auto zu heben? Ich würde vorziehen, es nicht zu tun, antwortet der Bartleby von heute, ein Mann in der Blüte seiner Jahre, steigt in sein Auto und fährt an mir, die ich neben der massiven Birke auf dem Parkplatz zurückbleibe, vorüber. ...

http://www.faz.net

Es ist wohl einfach so: "Medusa schenkt man keine Rosen"

Interessantes Topic!
Zuallererst muss ich sagen, ich bin freiwillig und gerne hier, will wenn möglich nicht mehr zurück nach D und fühle mich hier endlich zuhause und wohl. Dennoch, n paar Punkte, die mich immer wieder nerven, gibt es doch:

1. finnische Gleichgültigkeit: Tür auf die Nase falln lassen, mit Kinderwagen selbst alte Omis übern Haufen brettern, weil Kinderwagen ja mit Rücksicht behandelt werden müssen, und selbst Freunde hau'n aus der Bar einfach ab, ohne sich zu verabschieden. Find ich stoffelig, aber habe lernen müssen, die denken einfach net soweit, als das einer sich dadurch beleidigt fühlen könnt.

2. Strassenverkehr. Es gibt 2 Gruppen. Die einen sind strikte Paragraphenreiter, teilweise übergenau und pingelig. Dann die ewig eiligen, die immer Vorfahrt haben. Als Busfahrerin bin ich jeden Tag einige Kilometer auf der Strasse, und es gibt keinen Tag, an dem ich nicht mindestens 10 mal "A...loch!" denke, weil jeder sich die Regeln so biegt, wie er sie gerade braucht und man oft und gerne abgedrängt wird. Oder mögen die Autofahrer hier keine Busse? Naja, so von wegen anhalten am Zebrastreifen etc könnt ich net grad unbedingt feststellen. Ah ja, und dann die Taxen, die schiessen jeden Vogel ab in Rücksichtslosigkeit im Strassenverkehr.

3. Rasissmus. Ja, viele Finnen sind rasistisch. Ein Fahrerkollege brüllt vollhals an ner Haltestelle richtung anderem Bus "onko siellä neekeri ajamassa, vai tavallinen kuski?" - wie bitte? Oder ne andere blökt n schwarzen Fahrer an, dass sie sich garantiert nicht auf n WC setzt, auf dem er gerade war, und meint noch, sie hat was tolles gesagt. Darauf, dass ich aus Deutschland bin, gabs und gibt es auch noch geteilte Reaktionen. Ich kann gar net mehr zählen, wie oft dann mit der 2.Weltkrieg-Kacke angefangen wird. Einige kommen mit "f***g Laplandburner", andere mit "Nazi" oder "wir waren ja Brüder im Krieg, Seite an Seite" und all so'n Scheiss. Erschreckenderweise sind einige auch Pro-Nazi! MIttlerweile dreh ich mich um, und lass diese Leute stehn. Mein Auto wurde anfangs mit dem "D" am Heck schickaniert und verkratzt, Spiegel abgebrochen, Antenne verbogen. Als dann die finnischen Kennzeichen dran waren, war Ruhe. In ner Bar in Vantaa stand einer mal auf und meinte "I don't accept deutsch" und ging. Oder 2 Omas lästern die ganze Fahrt hinter mir, warum net n Finne meinen Job machen könnte. Da schwillt mir immer wieder der Kamm.

Dennoch: I love Finland Sind ja gottseidank net alle so. Is halt n Volk für sich, und sind ja auch in D net alle lieb, ganz und gar net

Ah ja, und dann die Taxen, die schiessen jeden Vogel ab in Rücksichtslosigkeit im Strassenverkehr.

Sagen wir mal, sie sind recht zügig unterwegs!

3. Rasissmus. Ja, viele Finnen sind rasistisch. Ein Fahrerkollege brüllt vollhals an ner Haltestelle richtung anderem Bus "onko siellä neekeri ajamassa, vai tavallinen kuski?" - wie bitte? Oder ne andere blökt n schwarzen Fahrer an, dass sie sich garantiert nicht auf n WC setzt, auf dem er gerade war, und meint noch, sie hat was tolles gesagt.

Wenn ich das so richtig mitbekommen habe, steht der Bereich vor einer starken Veränderung. Da junge Finnen nicht an dem Job Busfahrer interessiert sind, wächst der Anteil ausländischer Fahrer dort stark.

http://www.hs.fi/kaupunki/artikkeli/Hel ... 5231388148

Darauf, dass ich aus Deutschland bin, gabs und gibt es auch noch geteilte Reaktionen. Ich kann gar net mehr zählen, wie oft dann mit der 2.Weltkrieg-Kacke angefangen wird. Einige kommen mit "f***g Laplandburner", andere mit "Nazi" oder "wir waren ja Brüder im Krieg, Seite an Seite" und all so'n Scheiss.

Das Thema finde ich nun eigentlich wieder interessant, weil sie sich die Finnen deswegen auch untereinander Argumente liefern.

Mein Auto wurde anfangs mit dem "D" am Heck schickaniert und verkratzt, Spiegel abgebrochen, Antenne verbogen. Als dann die finnischen Kennzeichen dran waren, war Ruhe. In ner Bar in Vantaa stand einer mal auf und meinte "I don't accept deutsch" und ging. Oder 2 Omas lästern die ganze Fahrt hinter mir, warum net n Finne meinen Job machen könnte. Da schwillt mir immer wieder der Kamm.

So etwas, ist mir nie passiert.

melania74 hat geschrieben:Interessantes Topic!
1. finnische Gleichgültigkeit:

Ich ärgere mich nicht mehr deswegen, ich akzeptiere, ich nehme die Manieren für mich nicht auf, auch wenn "maassa maan tavalla". Nein. Aber es stimmt, es ist nicht bös gemeint.

melania74 hat geschrieben:Interessantes Topic!
2. Strassenverkehr.

Die "Fahrerarten" stimmen, aber Du bist ja schliesslich Fachfrau. Bei 110 km täglich auch für mich nervig, aber 9 Stunden im Stau auf der A1 Köln - Dortmund und Fiesta gegen getunte BMWs waren mir damals wesentlich unangenehmer.

melania74 hat geschrieben:Interessantes Topic!
3. Rasissmus.

Ja, den gibt es, wie überall. Ich teile die Meinung zur Lösung des Problems. Solche Leute verdienen keine Aufmerksamkeit. Hatte die Erfahrung im Beruf, wo man sich nicht immer auf der Ferse umdrehen kann und gehen. Trotzdem. Sie machen sich oft verdammt einfach mit "Lapinpolttaja". Gott sei dank, es nicht die Mehrheit. Auch Astrid Thors macht einiges um die Toleranz etwas zu verbessern. Meiner Meinung nach ist Xenophobie gängiger als reiner Rassismus, und das ist sehr spezifisch und eigentlich anhand der finnischen Geschichte, nachvollziehbar.

PS. Das Kätzchen ist so toll!

@ Sid: das ist mein kleiner Vampir

Stimmt, ist die beste Variante, es hinzunehmen, zu verstehen, dass das meist net bös gemeint is, und die Deppen, die's überall gibt, einfach links liegen zu lassen.
Zum Strassenverkehr, mein alter Ford Orion mit 60 Hotties (R.I.P.) gegen getunte BMW's war übrigens etwa das gleiche in grün auf dtl Autobahnen LOL