Leicht ist es sicher nicht, unmöglich wohl auch nicht; ob man allerdings als
Nicht-Muttersprachler je soweit kommen kann dass ein Finne einem den
Nicht-Muttersprachler nicht schon nach 5 Sätzen erkennt, wage ich zu
bezweifeln. Vereinzelte Genies vielleicht mal ausgenommen
Ich lebe jetzt seit gut 8 Jahren in Finnland, und seit vielleicht 2-3 Jahren
würde ich sagen ich habe das Stadium erreicht "zur Not komme ich überall
mit Finnisch durch". Aber richtig Finnisch sprechen kann ich definitiv nicht.
(mit meiner Frau rede ich leider immer noch hauptsächlich englisch,
mit vereinzelten Eskapaden ins Finnische, mit den Kindern deutsch,
aber ihre Eltern können nur Finnisch und ihr Bruder könnte Englisch,
spricht aber aus Prinzip praktisch nur Finnisch mit mir. Eigentlich gut so
Was mich wundert, dass (wenn ich nix verpasst habe) von allen Antworten hier
praktisch keine meine jahrelange Situation widerspiegelt:
Sprechen: kein Problem. Verstehen: Hoffnungslos.
(inzwischen: Verstehen: meine momentane Schätzung ist, in ca. 6 Jahren werde
ich mich an Gesprächen am Kaffeetisch beteiligen können
Ich hatte nach 1-2 Jahren null Probleme damit, irgendwas zu sagen, und die
Gegenseite hat mich i.d.R. auch verstanden.
Leider habe ich dann meistens die Antwort nicht verstanden
(ich habe von Anfang an relative flüssige Sätze bilden können, auch einigermassen
richtige Betonung/Wortmelodie - das hat vermutlich bei der Gegenseite den Eindruck
erweckt: "ach, der kann ja prima finnisch, also kann ich munter normales Finnisch reden").
Ich hatte in Deutschland schon 2 Kurse an VHS und (wenn ich mich richtig erinnere)
einen an der Uni (TU Darmstadt) gemacht.
Was mir da am meisten geholfen hat: Lernkassetten. Ich glaube die (und halt
ganz generell, dass im Finnischen die Betonung der simplen Regel folgt:
"Betonung immer auf der ersten Silbe") hat dazu geführt dass sich mein Finnisch
schon recht früh relativ flüssig angehört hat (vor allem, immer wieder das selbe zu
erzählen: was man ist, wo man herkommt, wie lange man hier ist, etc., da weiss
man ja die Worte irgendwann).
Wir benutzten damals (VHS) glaube ich das Buch "Hei Suomi" (so in weiss mit bissel
blau oder schwarz dabei), die Kassetten fand ich genial; aber das Buch an sich ist
echt nicht für Selbstunterricht geeignet (keine Grammatikerklärungen, fast nur
finnischer Text - halt viele Bilder und Szenen/Zeichnungen;
nur die Vokabeln waren am Rand mit Fussnote beim ersten Auftauchen notiert.)
Dann in Helsinki Arbeit angefangen (Arbeit war alles auf Englisch, und das ist auch heute
noch so), und die Firma hat Sprachkurse bezahlt.
Ich persönlich mag Finnisch, und finde es von der Grammatik und so *eigentlich*
total logisch (und vieles deutlich sinnvoller als Deutsch). Mit einer Ausnahme:
Stufenwechsel. Arghhhh!!
Die Sprachkurse waren relativ bald witzlos für mich, weil sie zum grössten Teil
Grammatikübungen waren, und mein Problem das "einen Muttersprachler verstehen" war.
Selbst als "Konversationskurze" betitelte arteten mehr in Grammatik als Sprechen aus.
Dem Radebrechen der Mitlernenden zu folgen ist ja witzlos ( = sehr langsam,
sehr beschränktes Vokabular -- genau das Vokabular das man selbst kennt).
Die Situation heutzutage ist so, dass ich, wie gesagt, wenn ich auf irgendein Amt gehe,
Fleischtheke, also mit einer einzelnen Person rede, geht es: Ich kann irgendwie
ausdrücken was ich will, und wenn ich jedes 2. Wort irgendwie umschreibe
(oder den Satz unterbreche, irgendwie nach dem Wort frage, und dann den Satz
wiederhole und beende); die andere Seite sieht ja, wann mein Gesichtsausdruck
nur noch ein Fragezeichen ist, oder ich frage nach, und derjenige benutzt ein
anderes, einfacheres Wort - irgend so was. Es ist ja beliebig viel Zeit,
wieder und wieder zu fragen etc.
Dagegen dem Gespräch am Kaffeetisch, Fernsehen, irgendsowas zu verfolgen,
wo Finnen in ganz normalem Sprachtempo reden, das war so nach 2 Jahren
"ich verstehe/erkenne höchstens 10 % der Worte" (vom Sinn ganz zu schweigen),
heutzutage bin ich bei "ich kriege ungefähr mit worums geht" (70%?).
(es sei denn es sind wiederum Themen die total nicht meinem Wortschatz
entsprechen, also Hobbies, Sport, ...)
Das mit dem Stufenwechsel: warum das bisher keiner explizit genannt hat
Das ist für mich das Kernproblem überhaupt. Da hat man eine Vokabel gelernt,
und dann taucht sie im Satz in veränderter Form auf.
Die meisten folgen ja irgendeinem Muster (manche auch nicht), aber es gibt
deren recht viele, und während ich versuche einem Satz zu folgen
ist einfach keine Zeit für:
OK, dieses Wort... (z.b.: joelle) Endung ab ... joe .. ah das ist doch die schwache Form
von joki, also "zum Fluss".
<anekdote>
(ich weiss noch, in meinem ersten Urlaub sass ich in Inari auf dem Parkplatz, dann
kam dieses Bus-Taxi, und der Fahrer rief: "Lemmenjoelleko".
*ratter ratter* *Getriebe im Hirn knirscht* ...
-ko= Frage, ... joe-lle ... zu, ... joki = Fluss... "Lemmenjoki - dahin - Frage" ...
... und schon nach weniger als einer Minute *ggg* wusste ich dass ich mich auch
melden muss! - ich wollte nämlich zum Lemmenjoki Nationalpark...
aber immerhin, ich habs erkannt
(das war in dem Sommer bevor ich nach Finnland umgezogen bin. Joki war in meinem
Finnisch-Lehrbuch halt gottseidank eine der ersten Vokabeln
</anekdote>
Man kommt also nur dann im Gespräch mit, wenn man das Wort direkt im
Kasus erkennt, es also einem schon mal in echt in dem Kasus begegnet ist.
Selbst sowohl schwache und starke Form, Nom/Gen/Partitiv alle drei Formen
zu lernen hilft nur bedingt - weil halt immer noch das mit "erst Endung ab, dann..."
Problem besteht.
(Englisch ist da so viel einfacher ... einfach alle Worte aneinanderreihen
Bzw. wenn man die einzelnen Worte versteht/erkennt kann man den Satz schon
irgendwie verstehen.
Ist das mit dem Stufenwechsel denn für niemand anders ein Problem?
Ich glaub das ist mir ein eigenes Thema wert....
-lemenssi (Clemens)