Patriotismus

Ideenaustausch zum Thema Leben in Finnland.
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donald
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Beitrag von donald »

blaugrau hat geschrieben:Hm, den "alltäglichen" Patriotismus hier finde ich persönlich nicht extrem auffällig (bzw nicht anders als in anderen Ländern in Europa)... Was ich allerdings etwas befremdlich finde, ist vielleicht manchmal die Einstellung zur eigenen jüngeren Vergangenheit (allerdings ist ähnliches auch in Ländern wie GB oder NL der Fall).. v.a.wenn ich Leute mit den T-shirts von "bikers for veterans" sehe :shock:
Du kannst mal nach Viipuri in Exfinnland gehen und dir vor Augen führen, dass heute ganz Finnland so heruntergekommen wäre wie Viipuri, wenn es die Veteranen nicht gegeben hätte... Von daher finde ich es bewundernswert wenn jüngere Generationen hier immer noch ihren Respekt und ihren Dank den Veteranen gegenüber ausdrückt. Die waren ja masssgeblichstens daran beteiligt, dass es Finnland überhaupt noch gibt!
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donald
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Beitrag von donald »

fax hat geschrieben:Irgendwo las ich mal einen Artikel, dass die Menschen immer nur die Preiserhöhungen wahrnehmen (Benzin, etc.) und stabile oder fallende Preise (Schuhe, etc.) einfach nicht wahrgenommen werden.
...was auch nicht wahrgenommen wird, sind die steigenden Löhne....
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donald
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Beitrag von donald »

Ein kleiner Blick in die jüngere Geschichte Finnlands erklärt vieles...
Emma hat geschrieben: Ich denke z.B. an die ganzen Gesundheitskampagnen, in denen den Finnen beigebracht wird, was gesund (fettfreie Milch!) und was schlecht (fetthaltige Milch!) ist.
Noch in den 60er Jahren hatten die Finnen ungefähr die höchste Rate an Herz-Kreislauferkrankungen. Also wurde mal was dagegen getan. das südliche Nachbarland Estalnd, das sich seit einer halben Generation langsam wieder den Lebensstil selbst aussuchen darf hat jetzt ähnliche Probleme wie Finnland vor 40 Jahren.

Emma hat geschrieben:
Um beim Thema Ernährung zu bleiben: Das ganze Land isst mehr oder weniger dasselbe Essen, erst jahrelang in Schulkantinen und dann jahrzehntelang in Bürokantinen. Dieses Essen ist natürlich danach ausgerichtet, was die Experten und die Regierung für gesund befunden haben. Dass dann der Geschmack sehr einheitlich ist und eine gewisse Angst gegenüber Neuem besteht, ist dann nicht so überraschend.
In Finnland wächst ja auch praktisch nichts ausser Kartoffeln, Beeren, Viecher und Fische. Dazu kommt noch, dass Finnland vor nicht allzu langer Zeit noch eine Bauerngesellschaft war. Da war nichts mit Lebensmittel im grossen Stil importieren, man lebte davon, was man selbst (oder im eigenen Dorf) produzieren konnte. Mir haben nicht wenige Leute gesagt, dass vor gut 20 Jahren hatte es in den Läden praktisch keine ausländischen Lebensmittel.

Man hat nicht soviel Auswahl was man essen könnte und Gewürze wachsen hier auch nicht wie Sand am Meer. Wie hätte man denn da die selben Geschmacksrichtungen wie in südlicheren Gegenden entwickln können?

Die Finnen sind es sich halt noch ans althergebrachte verwöhnt. Jetzt, wo auch ausländisches Essen mehr und mehr erhältlich ist dauert es vielleicht noch eine oder zwei Generatonen, bis es sich in der Gesellschaft verfestigt hat. Ich meinerseits bewundere die Nähe zum Traditionellen, wie praktisch jeder bei seinem oder Opas Mökki seine eigenen Kartoffeln pflanzt oder Beeren sammelt und sie dann für den Winter aufbewahrt.
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Tenhola

Beitrag von Tenhola »

donald hat geschrieben: In Finnland wächst ja auch praktisch nichts ausser Kartoffeln, Beeren, Viecher und Fische.
Schau einfach mal hier was so wächst :D

http://www.htk.fi/public/zop/Gallery%202/g6.html
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donald
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Beitrag von donald »

Tenhola hat geschrieben:
donald hat geschrieben: In Finnland wächst ja auch praktisch nichts ausser Kartoffeln, Beeren, Viecher und Fische.
Schau einfach mal hier was so wächst :D

http://www.htk.fi/public/zop/Gallery%202/g6.html
Es geht ja auch darum, was in ausreichenden Mengen hier wächst, womit man sich während dem Rest des Jahres, wenn nichts mehr wächst, ernähren kann.
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Tenhola

Beitrag von Tenhola »

80% aus unserem Garten ist Gemuese das man einlagern kann. :D
Heute will man diesen Aufwand einfach nicht mehr auf sich nehmen, denn im Laden gibt es ja eh alles.
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roelli
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Beitrag von roelli »

donald hat geschrieben:
blaugrau hat geschrieben:Hm, den "alltäglichen" Patriotismus hier finde ich persönlich nicht extrem auffällig (bzw nicht anders als in anderen Ländern in Europa)... Was ich allerdings etwas befremdlich finde, ist vielleicht manchmal die Einstellung zur eigenen jüngeren Vergangenheit (allerdings ist ähnliches auch in Ländern wie GB oder NL der Fall).. v.a.wenn ich Leute mit den T-shirts von "bikers for veterans" sehe :shock:
Du kannst mal nach Viipuri in Exfinnland gehen und dir vor Augen führen, dass heute ganz Finnland so heruntergekommen wäre wie Viipuri, wenn es die Veteranen nicht gegeben hätte... Von daher finde ich es bewundernswert wenn jüngere Generationen hier immer noch ihren Respekt und ihren Dank den Veteranen gegenüber ausdrückt. Die waren ja masssgeblichstens daran beteiligt, dass es Finnland überhaupt noch gibt!
Im Detail will ich das nicht kommentieren.

Es ist nun mal eine Generation in D aufgewachsen, im Bewusstsein von "Ja snaju mir druschba omlet" und für die ist es doch etwas befremdlich.
Man macht sich dann, doch so seine Gedanken, was es den nun gewesen ist.
Wenn es in Viipuri besser aussehe, wer sagt den, das es dann in Finnland genauso gut aussehe wie heute.
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donald
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Beitrag von donald »

Tenhola hat geschrieben:80% aus unserem Garten ist Gemuese das man einlagern kann. :D
Heute will man diesen Aufwand einfach nicht mehr auf sich nehmen, denn im Laden gibt es ja eh alles.
Hmja, das Ganze ist ein interessantes Thema und würde wohl eine Diskussion für sich füllen können. Dass man sich den Aufwand des Selbstanbaus nicht mehr machen will ist wohl überall so. Und klar gibt es seit jeher in Finnland mehr einheimische Gemüse als nur Kartoffeln. Randen, Zwiebeln, Karotten usw sind ja auch ein fester Bestandteil finnischen Essens.

Trotzdem denke ich, dass einer der Gründe der kleineren Vielseitigkeit des finnischen Essens im Vergleich zu Mitteleuropa mit den begrenzten Resourcen zusammen hängt. Denn dass Zeugs im grossen Stil importiert wird oder dass überhaupt bedeutender Lebensmittelhandel mit dem Ausland betrieben wird, ist verglichen mit Mitteleuropa doch eher eine neuere Erscheinung. Wenn da jemand mehr darüber weiss und ev. auch Quellen angeben kann, wäre ich dankbar. Das Thema interessiert mich nämlich :)
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Babylon
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Beitrag von Babylon »

Ich finde den alltäglichen Patriotismus in den Medien einfach nur schrecklich, die finnischen Zeitungen schreiben nur über Finnland, Finnen und Leute, die nach Finnland kommen. Es ist egal, wer eine Sportveranstaltung gewonnen hat - wichtig ist wo der Finne abgeblieben ist. Mich nervt das inzwischen wirklich sehr - etwas internationaler könnten sich die Medien hier schon geben....
Finnisches Fernsehen tue ich mir gar nicht mehr an - und eine Digibox kaufe ich auch nicht, von daher habe ich bald eh keine finnischen Programme mehr.
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Tomppa
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Beitrag von Tomppa »

Ich würde den Unterschied zwischen D und FIN bei Grundeinstellung zur Patriotismus ganz vereinfacht folgend beschreiben:

- In D fühlt man, dass jeder "eigener" Krieg ein verrücktes, ungerechtfertigtes Unternehmen des Herrschers und seiner Generäle war. Deshalb: "Nie wieder Krieg."

- In FIN fühlt man, dass jeder "eigener" Krieg eine Anstrengung eines schwächeren Volkes gegen übermächtigen Eroberer war. Gewissermaßen hat quasi David gegen Goliath gekämpft. Deshalb: "Auch nächstes Mal zeigen wir es ihnen."

Diese Einstellungen ergeben sich aus der Geschichte und ich selber finde beide für maßlos übertrieben.
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fax
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Re: Terveisiä Itävallasta

Beitrag von fax »

Jakob hat geschrieben:
AndiK hat geschrieben:Ach, ich glaub, gähnen ohne Hand vorm Mund ist echt harmlos. Im Büro wird des Öfteren laut gerülpst und in der Kantine beim Mittagessen (!) hört man des Öfteren jemanden seinen Naseninhalt hochziehen und ausspucken. Das ist richtig widerlich...
Echt mal! Am meisten stört mich das Rülpsen, aber auch das Hochziehen ist sehr gewöhnungsbedürftigt. Ich hab in der Regel ein Taschentuch bei, in das ich schnaube, und wurde schon wiederholt gefragt, ob ich Schnupfen hätte. Wenn man also extra ein Taschentuch bei hat, scheint das ein Zeichen dafür zu sein, das man wirklich ein Problem mit seiner Nase hat, also erkältet ist.
Vorsicht, ekelhaft: http://www.richtig-naseputzen.de/
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Circusmaximus
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Beitrag von Circusmaximus »

oak
Vuosaari
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na klar

Beitrag von Vuosaari »

Na klar sind die hier Patrioten.

Letztens war ein Kumpel von mir auf einem Interview und der meinte man muss Finnisch können fuer den Hoteljob weil man mit den anderen Hotels in Finnland kommunizieren muss und die alle kein Englisch können...das wäre nur in Helsinki so, dass die Englisch können.

Der hat dann eine e-mail ans Customer Service geschrieben und gefragt, ob er als (Fake) Japaner problemlos in die Hotels ausserhalb von Helsinki einchecken kann. Die meinten, ja kein Problem...können alle Englisch.

Das hat er kopiert und an den Patriotensepp geschickt.
Sid
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Re: na klar

Beitrag von Sid »

Vuosaari hat geschrieben:Na klar sind die hier Patrioten.

Letztens war ein Kumpel von mir auf einem Interview und der meinte man muss Finnisch können fuer den Hoteljob weil man mit den anderen Hotels in Finnland kommunizieren muss und die alle kein Englisch können...das wäre nur in Helsinki so, dass die Englisch können.

Der hat dann eine e-mail ans Customer Service geschrieben und gefragt, ob er als (Fake) Japaner problemlos in die Hotels ausserhalb von Helsinki einchecken kann. Die meinten, ja kein Problem...können alle Englisch.

Das hat er kopiert und an den Patriotensepp geschickt.
Kommunizieren kann ich zwar nachvollziehen (die Notwendigkeit, in Finnisch zu kommunizieren), aber die Xenophobie (ein grundsätzliches Nein zum Ausländer und Lügerei) nicht so recht. Ich würde nicht sagen, es war ein Patriotensepp, sondern ein Xenophobensepp und daran scheitert es meistens :(

PS. Endlich sind wir runter vom Rotzthema und wieder beim finnischen Patriotismus. :twisted:
Seve
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Beitrag von Seve »

Hierzu noch eine kleine Job-Anekdote:
Ich hatte mich vor Kurzem bei einem der Telekom-Serviceanbieter fuer deren Trainee-Programm beworben. Im ersten Interview wurde mir gesagt, dass die Tatsache, dass ich nur wenig finnisch spreche kein Problem ist, weil es ja ein internationales Programm sei. Nach diesem Telefoninterview habe ich ein persönliches Interview, Englischtest, Intelligenztest, Persönlichkeitstest und ein Assessment Center in Stockholm durchlaufen (ueberall wurde Englisch gesprochen). Danach wurde mir mitgeteilt, dass ich eigentlich gut geeignet wäre, aber ja leider kein Finnisch spreche und ich mich deswegen nicht qualifiziere :shock: Das fällt denen 6 Runden später ein (3 Monate)... Ich weiss ja, dass meine geringen Finnischkenntnisse ein Handycap sind, aber da hätte ich mir die Zeit auch sparen können, wenn die mal vorher damit rausgerueckt wären und mir nicht erst Hoffnungen gemacht hätten... naja, Ansporn schneller zu lernen ;-)
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