Ich kann wohl nur wiederholen, was sicher schon oft gesagt wurde. Die erste Stelle zu kriegen ist wirklich schwierig. Am Anfang habe ich mich oft auch falsch beworben, wusste nicht, was für die Finnen wichtig ist in einer Bewerbung und was nicht. Natürlich habe ich dann kein Fettnäpfchen ausgelassen - man will ja gründlich sein!
Doch plötzlich hatte ich ohne mich zu versehen den Dreh raus und konnte mich in die eine oder andere Teilzeitstelle hineinbugsieren. Meine allererste Anstellung war lehtijnakaaja, also Werbungen verteilen. Die Bezahlung war mies (2-3€/h) und es ist schon ein bemerkenswertes Gefühl, mit 26 den Job eines 16-jährigen auszuüben. Nachdem man vorher in der Heimat unten ja ganz andere Sachen gemacht hat! Doch dadurch habe ich wenigstens gelernt, wie man mit Arbeitsgebern kommuniziert, was unbeantwortete Emails und Dergleichen mehr zu sagen haben. Danach konnte ich während zwei Sommer bei einem Fahrradhändler Fahrräder auf Vordermann bringen und das ging dann so weit, dass der kurz vor der Pensionierung stehende Chef versucht hat mich zu überreden, die Firma zu kaufen und sie weiter zu führen. Mit "überreden" ist aber die finnische Version desselben zu verstehen, also höchstens ein paar Mal, wenn die Gelegenheit sich gerade ergab, einen Nebensatz in diese Richtung zu äussern.
Irgendwann wurde ich bei K-citymarket das Fräulein an der Kasse und dieses Handwerk nenne ich heute noch mein Eigen. Zwischendurch machte ich eine Exkursion als Verkäufer, doch da ich gerade nach Turku umziehe, muss ich wieder eine Stufe runtersteigen und denen zeigen, was ich drauf habe bevor ich dort was interessanteres machen kann.
Die allerallerallerentscheidenste Rolle spielte wohl, dass ich der finnischen Sprache mächtig bin und nicht umgekehrt. Doch erst als ich nach eineinhalb oder zwei Jahren in Finnland fähhig war, im Alltag die meisten Situationen auf Finnisch souverän zu meistern, war die Arbeitssuche erfolgreich. Ich hatte auch das Glück, bis jetzt Student zu sein und somit nicht dringend auf die Arbeit angewiesen zu sein und einfachere Stellen wie das Kassenfräuleinern waren für mich vollkommen in Ordnung. Leider weiss ich wirklich keinen Tipp für finnischunkundige.
Was ich gelernt habe ist, dass die Finnen es sehr schätzen, wenn man das Zeug anpacken will und kann. Und das hier gewisse Sachen einfach schnell gehen und hier und jetzt entschieden werden muss. Ich war gerade im September und Oktober in der Schweiz und habe von dort aus ein paar Handvoll Bewerbungen nach Finnland geschickt im Sinne von "ich komme bald wieder nach Finnland und bewerbe mich jetzt schon für diese Stelle..." Nein, dem geht nicht. Erst als ich halt eine finnische Adresse auf der Bewerbung angab, kamen die ersten positiven Reaktionen. Denn die Finnen gehen nicht auf eine Bewerbung auf Vorrat ein.
Beziehungen sind auch hier oben wichtig. Ich bin mit meiner neuen Stelle als Kassenfräulein in der für mich neuen Region Turku sehr zufrieden, denn ich weiss, dass ich dadurch die Möglichkeit habe, im selben Konzern bald andere Tätigkeiten anzunehmen. Daher kann ich raten, auch mal einen Deppenjob anzunehmen, was vor Allem als Teilzeitstelle nicht die dümmste Idee sein muss. Auf Finnisch sagt man dem "jalka oven välissä", den Fuss zwischen die Tür kriegen.
Meine Vielsprachigkeit nützt herzlich wenig, was der Normalofinne meistens nicht versteht. Zu oft höre ich wie ich mir doch eine gute Stelle aussuchen könnte, da ich ja Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch (und Finnisch) kann, aber der Nutzen von Fremdsprachenkenntnissen ist und bleibt mir bis jetzt ein Rätsel. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich bis jetzt in Jyväskylä war und es an anderen Orten vielleicht anders aussieht. Sprachbezüglich habe ich aber auch ein Handicap, nämlich dass ich trotz fliessendem Finnisch es nicht perfekt beherrsche und dies schlägt sich vor Allem im Schriftlichen nieder. Ich bin noch nicht in der Lage, selbstständig grammatikalisch korrekte geschäftliche Texte auf Finnisch zu schreiben. Bei den meisten Stellen, die durch meine Ausbildung (Consumer Communication) für mich in Frage kämen, ist dies aber ein muss - Fremdsprachenkenntnisse hin oder her!
Vielleicht werde ich eines Tages auch schriftlich sattelfest genug sein, dass ich auch Bürostellen antreten könnte. Denn obschon ich sehr gerne im Kundendienst, dh. als Verkäufer zB. arbeite, ist doch das Gehalt in diesem Bereich meistens eher gerade gut als gut. Wie sei dem auch, ich sehe der Zukunft zuversichtlich entgegen. Ich spüre auch den Unternehmer in mir und der hat sich schon etwas zusammen gebastelt, woraus im kommenden Jahr etwas fassbares entstehen könnte
Trotz Allem... Es ist eine Tatsche, dass ich nicht zum reich Werden nach Finnland gekommen bin und wäre ich in der Schweiz geblieben, wäre mein jetziger materieller Lebensstandard um Lichtjahre besser als was ich in Finnland in absehbarer Zeit erreichen kann. Dafür habe ich in Finnland vieles erlebt und erreicht, was zwischen den Bergen nicht möglich gewesen wäre. Das zählt für mich auch zum Lebensstandart!
Aber glaubt mir: eines Tages hat man genug Finnisch gelernt um den Fuss zwischen eine gute Tür zu kriegen!
Donald