6. Reaktor nach Finnland?

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Micha
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6. Reaktor nach Finnland?

Beitrag von Micha »

Der fünfte Reaktor in Eurajoki ist gerade im Bau, da empfiehlt eine Studie im Auftrag des finnischen Handels- und Industrieministeriums dem Land, einen sechsten Kernkraftreaktor zu bauen!

Aus deutscher Sicht eigentlich fast unglaublich, gilt Finnland doch in vieler Hinsicht als Modell-Nation siehe Pisa und und und.

Im Bereich der Atomkraft könnte das in Deutschland vorherrschende Verständnis von Umweltschutz allerdings nicht entgegengesetzter sein.

Ich frage mich, warum die Atom-Fraktion hier so stark ist!
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Babylon
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Beitrag von Babylon »

Ich habe mit einer Reisegruppe mal den im Bau befindlichen 5. Reaktor besucht und dort einen Vortrag gehört. (Ich bin auch Atomkraftgegner :evil: )

Leider ist Finnland, was die Energie betrifft, sehr abhängig von Russland. Wir haben weder Öl-, noch Gasvorräte, dafür aber leider eigenes Uran. Die Finnen mögen die Abhängigkeit von Russland nicht und sehen teilweise die Atomkraft als das kleinere Übel an. Zumal man hier zulande natürlich meint, dass finnische Technik unfehlbar ist und die Unfälle nur bei anderen passieren. Das dies nicht so ist, hat man ja im Sommer in Schweden gesehen. Aber was haben die finnischen Medien über den Reaktorunfall in Schweden berichtet? Nur eine Randnotiz!
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Ninni
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Beitrag von Ninni »

Finnische Technik? Ist nicht Siemens auch dran beteiligt? :wink:
Sid
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Beitrag von Sid »

@Babylon

Umso besser wenn Siemens beteiligt ist. Dann wenn mal was schief geht, kann man noch einen Sündenbock finden, wie auch mit den italienischen Pendolinos, der polnischen Suomenlinnafähre :evil:
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Babylon
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Beitrag von Babylon »

Ninni hat geschrieben:Finnische Technik? Ist nicht Siemens auch dran beteiligt? :wink:
gut ich verbessere mich: von Finnen bediente, in Finnland gebaute, deutsche Technik....

Aber Sid hat Recht: so findet man im Falle eine Falles einen praktischen Sündenbock: Siemens.
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Micha
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Beitrag von Micha »

Zur Sündenbock-Theorie:

Der Grund, warum man ausländische Lieferanten einbezieht, dürfte vor allem daran liegen, dass man aus der einheimischen Produktion nicht alle Komponenten einer grösseren Anschaffung (günstiger!) bekommt.
Also wohl auch bei einem neuen Zugsystem, geschweige denn einem Atomreaktor...
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Ninni
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Beitrag von Ninni »

Also ich denke nicht, dass es bei der Einbeziehung ausländischer Technik darum geht im Falle eines Falle einen Sündenbock zu haben! Es ist doch schon fast normal, dass es bei Bauprojekten international zugeht (sie Michas Beitrag)

Für das Kraftwerk in Finnland sind 60% ausländische Firmen beteiligt (v.a. aus Deutschland und Frankreich) und 40% finnische.
In Frankreich soll ebenfalls ein neuer Reaktor gebaut werden.


Hier nochmal, worum es genau geht.

Deutsche Firmen bauen größten Atomreaktor der Welt

In Finnland entsteht erstes Kernkraftwerk der dritten Generation - Siemens liefert die Turbinen
Von Daniel Wetzel

Olkiluoto - Bei der Grundsteinlegung zum neuen finnischen Atomkraftwerk greift auch der deutsche Botschafter in Helsinki, Hanns Schumacher, zur Zementkelle. Ob seine Teilnahme an der Zeremonie, die unter feinem Nieselregen an der finnischen Westküste stattfand, mit Außenminister Joschka Fischer (Grüne) abgesprochen war, ist unklar. Doch Wahlkampf hin, Atomausstieg her: Schumacher ist hier, weil beim teuersten Bauprojekt der finnischen Geschichte deutsche Firmen und deutsche Technik zu mindestens einem Drittel beteiligt sind.

Drei Mrd. Euro läßt sich die finnische Regierung den Bau des größten und modernsten Atomreaktors der Welt kosten. Daß ähnliche Bauprojekte nach dem Ende der rot-grünen Bundesregierung auch in Deutschland wieder möglich werden, daran glauben viele der hier versammelten Manager und Politiker. Ralf Güldner, der Leiter der deutsch-französischen Nuklearfirma Framatome ANP aus Erlangen: "Ich halte es für denkbar, daß vielleicht um 2015 ein neues Kernkraftwerk in Deutschland gebaut wird."

Quelle: Die Welt
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Babylon
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Beitrag von Babylon »

Wie gesagt, ich habe das Bauprojekt besucht und weder ich noch Sid glauben ernsthaft, dass die internationale Beteiligung darauf zurück geht, dass im Falle eines Unfalls ein Sündenbock gefunden wird.

Allerdings ist meine Erfahrung mit den finnischen Medien: sollte etwas schief gehen, sucht man gerne nach einem Schuldigen, der nicht aus Finnland kommt. Eigentlich war dieser Kommentar von Sid mehr ironisch oder als Witz gemeint....

Selbstverständich sind die meisten Bauprojekte heutzutage international. Ändert aber nichts an der Tatsache, dass zumindest ich gegen die Atomkraft bin und es den Tatsachen entspricht, dass Finnland sich dieser Technologie bedient um weniger abhängig von Russland zu sein.
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Kristina
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Beitrag von Kristina »

Ich weiß nicht so recht was ich davon halten soll.
Eigentlich bin ich gegen Atomenergie und unterstütze die Grünen da. Andererseits ist es eine umweltfreundliche Energie, verglichen mit Kohlekraftwerken, andererseits gibt es Atommüll. Das geplanten Entlager in Finnland finde ich grausam!
Leider können wir den heutigen Energiebedarf nicht mit alternativen Energien decken... ich persönlich fühle mich da ein wenig hilflos und weiß nicht so recht ob ich das Atomkraftwerk befürworten soll oder nicht. Das es so modern ist beruhigt mich schon sehr, viel mehr angst machen mir die Dinger in Russland *schauder*
Sid
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Beitrag von Sid »

Internationale Beteiligung ist aus diversen Gründen vorhanden. Es ging nur um die Erfahrung mit den Medien :) . Um genauer zu sein, (hab gerade in meiner Klausur am Freitag geschrieben, was wir in den Vorlesungen analysiert haben), Finnland glaubt an die finnische Qualität und die wird an jeder Ecke verherrlicht. Es gibt jedoch kaum Referenzpunkte, Benchmarking, bzw. einen internationalen Vergleich. Das erlebt man doch in täglichen Leben, dass vieles abgelehnt wird. Ist absolut nicht zeitgemäss.
Friedward

Reaktor nach Finnland?

Beitrag von Friedward »

Finnland verfügt über ausreichend alternative Energiequellen. Die Abhängikeit von Russland ist Arbeitshypothese.
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Babylon
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Re: Reaktor nach Finnland?

Beitrag von Babylon »

Friedward hat geschrieben:Finnland verfügt über ausreichend alternative Energiequellen. Die Abhängikeit von Russland ist Arbeitshypothese.
Kann gut sein. Energiequellen wie Wind und Wasser werden hier so gut wie nicht genutzt. Tatsache ist, dass der Strom zur Zeit in Russland eingekauft wird, ca. 16% des Gesamtverbrauchs. Natürlich könnte man andere Alternativen finden, aber die werden ja gar nicht gesucht. Finnland kümmert sich ja auch nicht um Alternativen zu Benzin und Diesel. In diesem Thema ist Finnland weit hinter dem europäischen Durchschnitt zurück. Und die Atomkraftlobby ist eben auch sehr stark.
Sid
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Re: Reaktor nach Finnland?

Beitrag von Sid »

Babylon hat geschrieben:Finnland verfügt über ausreichend Finnland kümmert sich ja auch nicht um Alternativen zu Benzin und Diesel. In diesem Thema ist Finnland weit hinter dem europäischen Durchschnitt zurück.
*unterschreib* Plus der Fakt, dass bis vor kurzem war die Steuer (der jährliche Strassennutzungssteuersatz) für alte Autos höher als für neue. Angeblich hat sich daran was geändert oder lieg ich da falsch? Reine Geldmacherei nach dem Prinzip "wer das Geld für einen Neuwagen hat, kann auch mehr bezahlen."

Der Steuersatz sollte eher Menschen ermutigen, auf alte Autos zu verzichten. Dazu stehen aber die Anschaffungspreise viel zu hoch. Ebenfalls gibt es z.B. keine Steuerbefreiung für 2-3 Jahre wie in Deutschland, wenn Autos wie z.B. Renault und Peugeot besonders umweltfreundlich dank neuen Russfiltertechnologien u.ä. sind.
Babylon hat geschrieben:Finnland verfügt über ausreichend Und die Atomkraftlobby ist eben auch sehr stark.
Die Rückkehr zu Atomenergie sehen die Finnen als Fortschritt und vorausschauendes Handeln. Es wird geglaubt, dass alle eher oder später notgedrungen zu Atomenergie zurückkehren werden.
peikko
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Beitrag von peikko »

Ich finde es traurig, wo doch Finnland als sehr umweltbewusstes Land gilt :(
In meinem Kulturschockführer Finnland steht etwas davon, dass die Finnen ihre umwelt nicht mit Windrädern und Wasserkraftwerken verändern wollten, und so schön die Atomkraftwerke in den Süden des Landes stellen, damit der Norden verschont bleibt ...
Aber generell gibt es hie in Finnland anscheinend nicht so viel Protest. Beim ASEM Gipfel war ich in Helsinki, und meine Gastmutter meinte zu mit: da ist ne große Demo ...
Naja, die Demo war eher bescheinden, und in Deutschland gibt es das ja irgentwie jede Woche :D

Jonas
Sid
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Beitrag von Sid »

In Sachen Umweltschutz setzt Deutschland Massstäbe. Zum Beispiel wenn es um die Terminologie dieses Bereichs geht:
German speaking countries play a leading role in
Environmental Technology. To keep up with the latest
developments in Environmental Technology it is vitally
important to know German.
The aim of the EnTecNet project is to produce a web-based
multimedia language course:
German in Environmental Issues and Technology
http://www.umwelttechnik.co.at/download ... enranta%22

Sehr interessantes Projekt, übrigens.
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