Arbeitssuche in Finnland

Ideenaustausch zum Thema Leben in Finnland.
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Babylon
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Arbeitssuche in Finnland

Beitrag von Babylon »

Wer nicht von seiner Firma nach Finnland gesandt wurde, muss sich hier vor Ort einen Arbeitsplatz suchen.
Welche Erfahrungen habt Ihr dabei gemacht?
Wie würdest Ihr das Arbeitsleben in Finnland mit dem in Deutschland vergleichen?
Welche Erfahrungen habt Ihr mit Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen in Finnland gemacht?
Wie seht Ihr die Chancen für Deutsche auf dem finnischen Arbeitsmarkt?
Sid
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Beitrag von Sid »

In meinem Beruf (einer bunten Mischung aus Sprachwissenschaften, technischem Englisch, Documentation Online Publishing, Wirtschaft und neuerdings eLearning) sieht es folgendermassen aus.

Ich hatte Ende 2000 das Glück, dass mich "meine Stelle" gefunden hat. Damals sogar zwei. D.h. ich hab erfolglos versucht (ohne jegliche Finnischkenntnisse) mich zu bewerben, doch dann kam es anders - die Firma hat meine Anzeige gefunden und mir einen Job angeboten. Dort bin ich seit 6 Jahren und hab inzwischen bis in den technischen Bereich bzw. in die Firmenleitung geschafft (mit zunehmenden Finnischkenntnissen, die zwar hilfreich aber nicht zwingend notwendig sind). Die Offenheit der Firma kommt daher, dass die finn. Tochtergesellschaft damals von Briten und Amerikanern gegründet und Personnel rekrutiert wurde. Da zählten die akademischen Englischkenntnisse. Punkt.

Ich versuche seit längerer Zeit eine neue Stelle zu finden (es wird Zeit). ERFOLGLOS!

Und nun der Schlüssel zum Misserfolg :evil:
- Auf Finnische Anzeigen bewerbe ich mich auf Finnisch, auf Englische auf Englisch und betone ehrlich, wie es um meine Finnischkenntnisse steht
- Hab eine hohe "Trefferquote" zum Gespräch eingeladen zu werden (Es ist ja auch eine wertvolle Erfahrung)
- Vorstellungsgespräche führe ich auf Finnisch, wenn mal etwas unklar, dann teilw. auf Englisch oder wie derjenige möchte - meistens mit einer guten Resonanz bzgl. meiner Finnischkenntnisse
- Springender Punkt: das Arbeits-Finnisch hab ich durch den bisherigen englischsprachigen Arbeitsalltag vernachlässigt und das rächt sich
- Thema Geld ist mystisch. Sie fragen nach einer Vorstellung, man bleibt offen und flexibel, will einen Gegenvorschlag, aber der kommt nicht! Mein Hintergrundwissen sagt mir, dass die Zahlungsbereitschaft etwa bei 50-70% meines jetztigen Gehalts liegt, daher wird abgeblockt und es gibt noch nicht mal die versprochene "Wir melden uns"-Antwort. Sehr unhöflich und unprofessionell. Das passiert in 40% der Gespräche in der ersten Vorstellungsrunde
- Überqualifiziert ist nicht gut, aber Anzeigen verlangen oft Unmögliches. Ein Paradox.

Nun ja, ich und aufgeben? Nö :) , aber so einfach kommt man nicht mal in solche "Möchtegern-Internationale" Firmen als Ausländer. In meinem Fall geht es um echte Sprachlerberufe... Der Schein trügt: auch wenn die Anzeige auf Englisch verfasst, und Finnisch nicht ausdrücklich verlangt ist, Chancen hat man wohl nur als Muttersprachler oder billiger Ausländer. Eine grosse Chance bieten Firmen, die sich gerade eben in Finnland niederlassen. Doch Vorsicht: auch diese wissen, dass deutsche Gehälter besser sind als Finnische und versuchen das Angebot runterzuschrauben.

Traurig, aber wahr.
Georg

Beitrag von Georg »

Tatsache ist leider, dass das Preisniveau in Finnland über dem deutschen Niveau liegt, zum Ausgleich das Lohnniveau aber niedriger ist und der Staat etwas mehr kassiert.

Auch meine Erfahrungen bestätigen, dass die Sprachfrage eine beeindruckende Hemmschwelle ist. Besonders interessant ist hierbei, dass nicht einmal ein ziemlich gutes Ergebnis bei der staatlichen Sprachprüfung (yleinen kielitutkinto) irgendeinen Effekt zeigt. Man muss in der Praxis (=an einem Arbeitsplatz) nachgewiesen haben, dass man die Sprache beherrscht. Wie man dieses Paradoxon löst, Spracherfahrung bei der Arbeit zu sammeln, wenn man wegen der Sprache keine Arbeit kriegt, konnte mir bisher keiner erklären.

Mir ging es zumindest so, dass wenn es einmal gelungen ist, in den Arbeitsmarkt hineinzukommen, wird es danach leichter, eine neue Stelle zu finden.

Sehr mässig ist die Antwortquote bei Bewerbungen. Es ist völlig normal, das gar keine Antwort kommt. Auf der anderen Seite sind Bewerbungen auch billiger als in Deutschland, man muss nicht von jedem Zeugnis eine beglaubigte Kopie beibringen.

Das Klima am Arbeitsplatz ist bei uns, zumindest innerhalb der Abteilung sehr entspannt. Der Vorgesetzte wird geachtet, aber man kann kann mit ihm (fast) alles diskutieren.
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Micha
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Beitrag von Micha »

Georg hat geschrieben:Auf der anderen Seite sind Bewerbungen auch billiger als in Deutschland, man muss nicht von jedem Zeugnis eine beglaubigte Kopie beibringen.
Stichwort: vollständige Bewerbungsunterlagen!

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Man muss auf dem Arbeitsmarkt sehr hartnäckig sein!

Ich bekenne mich hiermit zu meinem humanistischen Studium, das ich an der Uni Helsinki abgeschlossen habe, um mich von der akademischen Welt zu verabschieden: es kam das erste Kind und da war kein Platz für eine Laufbahn an der Uni. Die Arbeitssuche hat ca. 8 Monate gedauert, nebenher unterrichtete ich über eine grosse Sprachschule Wirtschaftsdeutsch in Firmen, aber auch in Schulen.
Grundsätzlich habe ich alle deutschen (man kann natürlich auch an die Schweizer oder österreichischen denken!) Firmen mit Sitz in Finnland ins Visier genommen und jene finnischen, die in Deutschland, etc. aktiv sind. Infos hierzu gab es u.a. in der dt.-finn. Handelskammer.

Die Zeit, die man ohne feste Stelle hat, kann man also gut nutzen. Ich wusste, dass es mit der ersten Stelle besonders schwierig wird, daher hatte ich auch nicht realistische Ansprüche.
Auf Bewerbungen wird selten reagiert, aber man kann ja auch Nachfragen / sanften Druck machen, finde ich nicht verkehrt.

Letzten Endes kam meine erste Stelle, der ich noch heute treu bin, von ganz unerhoffter Seite. Ein bisschen Glück gehört auch immer dazu und wer es lange genug versucht, wird auch belohnt. Genutzt hat mir dabei eine in Deutschland vor zig Jahren abgeschlossene Berufsausbildung als Bankkaufmann und meine Sprachkenntnisse.

Über meinen jetzigen Wert auf dem Arbeitsmarkt mache ich mir ab und zu Gedanken, kann ihn aber nicht wirklich einordnen.

Ausländer zu sein, wenn auch mit gutem/sehr guten Sprachkenntnissen ist m. E. nach kein Plus. Dabei haben es Deutsche ja noch relativ einfach im Vergleich zu Leuten aus Afrika oder anderen Ländern der 3. Welt...

Meine Erfahrung mit dem Wirtschaftsdeutschunterricht (s.o) war andererseits ganz gut, da man in viele Unternehmen mit starken Beziehungen nach Deutschland (und das haben viele!) reinschnuppern konnte und auch bekanntschaften knüpft. Wenn jemand hierfür nützliche Tipps/Adressen will, geb' ich sie gerne per Privatnachricht...

In Deutschland hingegen wird ja von der "Generation Praktikum" gesprochen (Spiegel Titel vor ein paar Wochen), auch keine rosíge Aussicht. Der Arbeitsalltag in Finnland ist unkompliziert und ziemlich kollegial, weniger hierarchisch als in D.

Allen Suchenden viel Glück!
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Rosi
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Beitrag von Rosi »

:?
Habe in Bezug auf den finnischen Arbeitgeber ähnliche Erfahrungen gemacht. Bewerbungen werden nur selten beantwortet. Jetzt verlange ich höflich wenigstens eine kurze Eingangsbestätigung per mail, das klappt in ca. 30% der Fälle. Bin leider in der misslichen Lage gerade einen Job im Gebiet Helsinki zu suchen. Hab ich mir irgendwie einfacher vorgestellt. Bin Juristin und habe vor 2 Jahren meinen Abschluss in Deutschland gemacht. Dann gings gleich nach Finnland, in die Provinz. Da hab ich erst mal finnisch gelernt und sogar einen Job bei Kela gehabt( Nur durch Beziehungen). Jetzt der Umzug nach Helsinki und stehe wieder vor dem Nichts. Aber suche erst 5 Wochen. Hab zunächst mal alle angeschrieben, die deutsche Seiten hatten und die, die in der Zeitung wenigstens internationale Juristen gesucht haben. Spreche zwar finnisch, aber so als Anwalt das trau ich mir das auf keinen Fall zu. Mein Finnisch ist mehr so alltagstauglich. Würde auch gerne was anderes machen, muss nicht als Anwalt sein, aber wie gesagt, etwas ratlos. Wer was weiss kann sich gerne melden. Bis es soweit ist, stelle ich dem Forum gern mein Wissen über Sauerkirsch- und Spinat- Einkaufsmöglichkeiten zur Verfügung. :wink:
Sid
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Beitrag von Sid »

Rosi hat geschrieben::?
Habe in Bezug auf den finnischen Arbeitgeber ähnliche Erfahrungen gemacht. Bewerbungen werden nur selten beantwortet. Jetzt verlange ich höflich wenigstens eine kurze Eingangsbestätigung per mail, das klappt in ca. 30% der Fälle.
Ich meinte eigentlich, dass ich doch eine recht gute Trefferquote hatte und für gut 30% der Stellen zum Gespräch eingeladen worden bin. Der Rest wird gar nicht oder mit dem Floskelschreiben beantwortet (sag ich mal, fifty fifty). Aber nach einem Gespräch melden sie sich nicht mit der Entscheidung wie versprochen und das ist sehr unprofessionell. :roll:

Liegt aber wohl am Unwohlsein der Finnen bei negativer Konfrontation (ist so ähnlich wie Anrempeln)...
harald
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Beitrag von harald »

Ich habe meine Arbeitssuche von D aus gestartet, auf Stellenangebote im Hesari und auf Angebote vom Työvoimatoimisto geantwortet, Reaktion Null oder negativ. Durch den Tipp eines Cousins meiner Frau habe ich bei meiner jetzigen Firma angefragt. Es kam irgendwann ein Anruf, dann Treffen auf der Medica in Düsseldorf, im nächsten Sommerurlaub ein Treffen in Fi und der Arbeitsvertrag. Das Gehalt war vergleichbar mit D, aber durch die Abwertungen zu Beginn der 90er wurde das Verhältnis schlechter. Die neuen Kollegen waren offen und haben mir bereitwillig gezeigt und erklärt was ich von der Firma wissen wollte meine Finnischkenntnisse die ich mir an der VHS München zugelegt hatte waren dabei sicher hilfreich. In D sass jeder wie `ne Glucke auf seinem Wissen. Die erste Enttäuschung kam mit dem Urlaub. Nominell sind es 30Tage wie in D auch, aber den Samstag zählt als Urlaubstag. Inzwischen sind wir ´ne Amifirma, und bekommen bald den 5. Namen seit ich begonnen habe. Das Arbeitsklima hat sich merklich verschlechtert, es gibt alle möglichen Ober - Unter und Zwischenmanager, viele Häuptlinge und wenig Indianer.
Sid
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Beitrag von Sid »

Wieder ein Beispiel von Dilentantismus :roll:

Der Schwerpunkt meines Studiums war Terminologiearbeit (Sammlung von technischen Begriffen, Normanalyse, Erstellung von Datenbanken). Nun bietet eine Firma, mit der ich schon früher im Kontakt war, genau diese Art von Tätigkeit (in Finnisch) als Telearbeit und mit dem Vermerk "Studenten und Teilzeitkräfte können diese Aufgabe ausführen". Wie professionell! Aber klar, wieso braucht man denn überhaupt noch studieren? Dabei hängt mein Herz an dieser Aufgabe so sehr... :(

Einfach nur frustrierend... :evil:
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Babylon
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Beitrag von Babylon »

Sid hat geschrieben:Wieder ein Beispiel von Dilentantismus :roll:

Der Schwerpunkt meines Studiums war Terminologiearbeit (Sammlung von technischen Begriffen, Normanalyse, Erstellung von Datenbanken). Nun bietet eine Firma, mit der ich schon früher im Kontakt war, genau diese Art von Tätigkeit (in Finnisch) als Telearbeit und mit dem Vermerk "Studenten und Teilzeitkräfte können diese Aufgabe ausführen". Wie professionell! Aber klar, wieso braucht man denn überhaupt noch studieren? Dabei hängt mein Herz an dieser Aufgabe so sehr... :(

Einfach nur frustrierend... :evil:
So ähnliche Erlebnisse hatte ich hier auch schon; aber auf der anderen Seite muss man in Finnland doch für alles studiert, oder finnische "Kurssit" besucht haben. Meine Erfahrung ist: viel Theorie, kaum Praxis gefragt.
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Babylon
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Beitrag von Babylon »

Eure Erfahrungen sind sehr interessant!

Mein Berufsleben hat sich in 4 sehr unterschiedlichen Bereichen und in 3 europäischen Ländern abgespielt, aber Finnland ist mehr als eine harte Nuss. Ich meine wirklich, dass Ausländer es auf dem Arbeitsmarkt hier sehr schwer haben. Man nimmt doch lieber einen Finnen mit weniger Erfahrung als einen gute ausgebildeten Ausländer. Auch wenn man Finnisch spricht, wird man oft auf Grund des Akzents, doch nicht genommen. Von Internationalität oder wenigstens einem vereinten Europa ist Finnland noch sehr, sehr weit entfernt.
Sid
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Beitrag von Sid »

Babylon hat geschrieben:
So ähnliche Erlebnisse hatte ich hier auch schon; aber auf der anderen Seite muss man in Finnland doch für alles studiert, oder finnische "Kurssit" besucht haben. Meine Erfahrung ist: viel Theorie, kaum Praxis gefragt.
Die hab ich auch besucht und bald abgeschlossen. Das hilft auch wohl kaum. Hier der Punkt - was werden sie dem Studenten für eine laienhafte Fachwortschatzanalyse zahlen, 7 Euro pro Stunde, oder 8? :roll:
Nordlicht

Geht auch so!

Beitrag von Nordlicht »

Seit den 70er Jahren in der finnischen Arbeitswelt heimisch, zehn Jahre als selbständig Erwerbender, hier etwas aus der Erfahrungskiste:
Der finnische Arbeitsmarkt ist für Ausländer ein steiniges Pflaster. Immer gewesen. Personenfreizügigkeit der EU, Anerkennung von Berufsabschlüssen usw. haben die Anstellungsmöglichkeiten kaum begünstigt.

Sind einmal Kinder in Finnland eingeschult, ist ein zurück nicht mehr so einfach, auch wenn die Mobilität in der Berufswelt zugenommen hat. Dann steht man oft vor einem Zeitfenster bis über das 40. Altersjahr hinaus. Mit ca. 45 solltest du beruflich so gewandt sein, dass du dich selbständig machen kannst, denn dann steht im Berufsleben die Gefahr der Ausmusterung ins Haus. Ausgrenzung aus Altersgründen ist keine europäische Erscheinung der letzten zehn Jahre, in Finnland war sie schon immer besonders ausgeprägt. Von meinen gleichaltrigen ausländischen Bekannten sind nur noch Gehaltsempfänger, wer eine z.B. gewerkschaftlich gut geschützte Stelle hat. Andere sind entweder frühpensioniert, rück- oder weitergewandert oder selbständig erwerbend, manche sogar in verschiedenen Berufen. Den Schritt in die Selbständigkeit kannst du natürlich schon früher tun, auf den schönen langen Urlaub musst du meistens aber verzichten. Zwei Wochen Ferien im Jahr sind bei mir schon viel.

Als Arbeitgeber habe ich mich auch versucht. Die Erfahrung war niederschmetternd. Der Grund liegt wohl in der stark korporatistischen Ausgestaltung der finnischen Arbeitswelt mit einer Rechtssprechungspraxis, die für einen Kleinarbeitgeber russisches Roulette bedeuten kann. Hat mich einige Tausend Euro gekostet (nur normaler Betriebsaufwand, keine Bußen o.ä.), und ich habe mir geschworen, zeit meines Lebens niemand mehr einzustellen. Nun habe ich halt zwei Firmen und nur mich als Angestellten. Geht auch so.
Sid
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Re: Geht auch so!

Beitrag von Sid »

Nordlicht hat geschrieben:Ausgrenzung aus Altersgründen ist keine europäische Erscheinung der letzten zehn Jahre, in Finnland war sie schon immer besonders ausgeprägt.
Es gab doch kürzlich ein Märchen vom Vorbild in Beschäftigung älterer Menschen. Der Carl-Bertelsmann Preis wurde an Finnland verliehen. Deutschland hat dann in der Presse keine Möglichkeit ausgelassen, um sich wieder mal selbst nieder zu machen.

Carl Bertelsmann-Preis 2006 an finnisches Reformprogramm
Bertelsmann Stiftung zeigt Wege aus der Beschäftigungsmisere älterer Arbeitnehmer in Deutschland - Vorbildliche Lösungen auch in Australien, den Niederlanden und Großbritannien
Der mit 150.000 Euro dotierte Carl Bertelsmann-Preis geht in diesem Jahr nach Finnland. Ausgezeichnet wird das Reformprogramm "Älter werdende Ar­beitnehmer", eine Initiative der finnischen Regierung in Zusammenarbeit mit Sozialpartnern, Wissenschaft und Verbänden zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen älterer Menschen. Der Preisverleihung liegt eine internationale Studie der Prognos AG im Auftrag der Ber­telsmann Stiftung zugrunde. Weitere vorbildliche Programme zur Verbesserung der Be­schäftigungssituation älterer Arbeitnehmer fanden die Wissenschaftler auch in Australien, den Niederlanden und Großbritannien. In diesen Ländern konnte durch eine konsequente Beschäftigungspolitik die Erwerbsbeteiligung in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen deutlich verbessert werden.

"Mit der Preisverleihung will die Bertelsmann Stiftung Wege zur Überwindung der drama­tisch niedrigen Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in Deutschland aufzeigen", sagte Vor­standsmitglied Dr. Johannes Meier bei der Bekanntgabe des Preisträgers. Angesichts der demographischen Entwicklung sei ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel hin zu länge­ren Tätigkeitsbiographien zwingend notwendig. Gerade Finnland habe seine Anpassungs­fähigkeit an veränderte Rahmenbedingungen erfolgreich unter Beweis gestellt und belege damit, dass eine gezielte politische Umsteuerung auch in einer schwierigen Beschäfti­gungssituation gelingen kann. "Besonders vorbildlich ist dabei die konsistente nationale Strategie und konsequente Umsetzung im gemeinsamen Wirken von Regierung, Gewerk­schaften und Arbeitgebern und in der interministeriellen Zusammenarbeit" , so Dr. Johan­nes Meier.

Auslöser für die erfolgreichen Arbeitsmarkt-Reformen in Finnland war eine dramatische Wirtschaftskrise zu Beginn der 90er Jahre. Hinzu kam der grundlegende Strukturwandel von einem Rohstoff produzierenden und verarbeitenden Land hin zu einem Technolo­gie­standort mit einem hohen Weiterbildungsbedarf für ältere Arbeitnehmer. Auf diese Ent­wicklungen reagierte die finnische Regierung im Zeitraum zwischen 1998 und 2002 mit der konzertierten Aktion zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen älterer Menschen ("Finnish National Programme for Ageing Workers" - FINPAW). Mittels spezifischer Nachfolgepro­gramme der einzelnen Fachministerien wurde hieraus eine umfassende nationale Strategie zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen Älterer entwickelt. Mit diesem umfassenden Reformpaket beendete Finnland seine bis dahin praktizierte "Kultur der Frühverrentung" hin zu einer "Kultur des längeren Erwerbslebens".

Die Ergebnisse sind überzeugend und vorbildlich: Während die Arbeitslosigkeit Mitte der 90er Jahre in der Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen bei über 20 Prozent lag, konnte sie bis zum Jahr 2004 auf 7,3 Prozent reduziert werden. Auch der Anstieg der Erwerbsquote Älterer liegt mit heute 55 Prozent gut zehn Prozent über dem europäischen Durchschnitt. Diese positive Entwicklung der Erwerbstätigkeit Älterer ist jedoch nicht nur Resultat der günstigen konjunkturellen Rahmenbedingungen. Auch mit einer flankierenden Reform der Rentengesetzgebung konnte das effektive Rentenalter seit 1995 um 1,2 Jahre erhöht wer­den und liegt nun bei 59,1 Jahren.

Das Ziel der finnischen Reformanstrengungen war, Arbeitnehmer länger im Erwerbsleben zu halten. Grundlage für den Erfolg waren die alters- und alternsgerechte Gestaltung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmer und der Fokus auf Qualifizie­rung und angemessene Arbeitsorganisation. Das landesweite Programm FINPAW wurde dabei gemeinsam vom Ministerium für Soziales und Gesundheit, dem Bildungsministerium und dem Arbeitsministerium umgesetzt.

Ein zentraler Bestandteil der sich anschließenden Reformbemühungen ist die Anfang 2005 in Kraft getretene Rentenreform, die das Ziel verfolgt, das Renteneintrittsalter weiter anzu­heben. Dazu wurde eine variable Altersgrenze von 63 bis 68 Jahren mit Zu- und Abschlä­gen eingeführt.

Der Carl Bertelsmann-Preis an das finnische Reformprogramm zur Verbesserung der Ar­beitsbedingungen älter werdender Arbeitnehmer wird am Donnerstag, 14. September 2006, in Gütersloh verliehen. Der frühere finnische Ministerpräsident Esko Aho (1991-1995) wird die Auszeichnung entgegennehmen. Die Festrede hält Bundeswirtschaftsminister Michael Glos
http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/ ... _31591.htm

Ich sehe das so wie Du, Nordlicht. Es ist keineswegs besser. Die Quoten halten vielleicht Teilzeithausmeister hoch, aber keine Karrieremenschen, die noch Ü40 gebraucht werden wollen, bzw. an einen Stellenwechsel denken. Das gelingt auch in Finnland in den seltensten Fällen (wenn man wirklich gut ist - über Headhunter).
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Micha
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Beitrag von Micha »

@ Nordlicht:
Dein Beitrag dürfte einigen zu Denken gegeben haben, zumindest tat er das bei mir.
Ging es anfangs in diesem Topic noch um Schwierigkeiten mit der (1.) Arbeitssuche, so dürfte nach dem Lesen Deiner Erfahrungen auch den fest Angestellten unter uns mulmig geworden sein: ich denke, die wenigsten von uns sehen sich vorbereitet für die Selbständigkeit.

Allerdings bestätigen Deine Eindrücke, was mir auch schon lange klar ist: personalpolitische Entscheidungen macht der Arbeitgeber, und dieser denkt immer zuerst an sich. Unsereins muss gewappnet sein und darauf bedacht sein, auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben.
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Ludwig
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Beitrag von Ludwig »

Suche seit langem eine Buchhaltungskraft, die mich entlastet. Ich habe bei Freunden und Bekannnten gefragt und keine Antwort erhalten.
Ich weiss natürlich, dass ich über das Arbeitsamt viele Bewerbungen bekomme, -wie bisher-, die sber oft nur geschickt werdern, um dann wieder ab zu sagen.
InDeutschland ist es ja auch nicht immer eifnach eine interessierte Kraft zu finden.
Wir suchen gerade jemanden, der an einigen Tagen (3-5 halbe Tage) die Lohnbuchhaltung, das Rechnungswesen zu den Gemeinden, die Korespondenz der Geschäftsführung übernehmen kann und in 2-3 Jahren unser Büro zu führen in der Lage ist.

Ich freue mich auf Antworten und unser Web- side oder ein Besuch können mehr über unsere Arbeit darstellen.

Kontakt: e-mail

uh.: + 358 447722820
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