Meine Klischees über Finnland

Ideenaustausch zum Thema Leben in Finnland.
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jordekorre
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Beitrag von jordekorre »

Toby hat geschrieben:
@Toby: Warum fragste eigentlich, willst auch in den hohen Norden?
Was mich ein wenig abschreckt sind die Aussagen einiger hier im Forum, sie wären hauptsächlich deshalb in Finnland, weil ihre Ehepartner dort sind und wollen hier wieder weg (und diese enorm hohen Selbstmordquoten - ist in Finnland die Stimmung so depressiv?). Aber am besten sehe ich es mir selbst einmal live an.
Ich finde nicht, dass Ehepartner ein schlechter Grund sind, um in ein fremdes Land zu gehen. Ich glaube auch, dass sich das gegenseitig bedingt. Wer einen finnischen Partner hat, wird leichter nach Finnland ziehen. Und wer hier schon wohnt und dann einen finnischen Partner findet, bleibt leichter hier. Meiner Erfahrung nach wollen diejenigen mit fester Bindung eher selten wieder weg. Wenn man allerdings keine Freunde findet UND die Sprache nicht beherrscht kann's schon eher einsam werden.

Die Selbstmordrate würde ich jetzt mal nicht bei Deiner Entscheidung berücksichtigen, das ist dann wohl doch zu individuell. Davon abgesehen ist auch die rückläufig.
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Sandra
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Beitrag von Sandra »

Toby hat geschrieben:
@Toby: Warum fragste eigentlich, willst auch in den hohen Norden?
Ich interessiere mich schon länger für Skandinavien und habe auch angefangen Finnisch zu lernen. Im Augenblick überlege ich, ob ich in ein paar Semestern ein Auslandssemester auf unserer Partneruni in Oulu machen möchte (und danach weiß man ja nie). Deshalb versuche ich gerade herauszufinden, ob es sich lohnt, sich intensiver mit der finnischen Sprache zu beschäftigen.

Was mich ein wenig abschreckt sind die Aussagen einiger hier im Forum, sie wären hauptsächlich deshalb in Finnland, weil ihre Ehepartner dort sind und wollen hier wieder weg (und diese enorm hohen Selbstmordquoten - ist in Finnland die Stimmung so depressiv?). Aber am besten sehe ich es mir selbst einmal live an.
Es lohnt sich IMMER, ins Ausland zu gehen und neue Sprachen zu lernen, wenn man die Möglichkeit dazu hat.

Die hohen Selbstmordquoten....gut, du musst auch daran denken, der Winter ist lang und nicht immer strahlt die Sonne, es gibt Tage, an denen es nichtmal richtig dämmert. Da kann ich mir schon vorstellen, das es aufs Gemüt drückt wenn man auchnoch die ganze Zeit zu Hause sitzt oder so....
Ich selber könnte die ganze Zeit schlafen ^LOL^
Tenhola

Beitrag von Tenhola »

Ja die Selbstmörder hier in Finnland.

Negativ ist, dass ich beim Autofahren immer all den Leichen ausweichen muss
und
positiv ist, es gibt immer wieder leere Wohnungen/Häuser. :twisted: :evil:
Ulle
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Beitrag von Ulle »

Ich finds nicht unbedingt abschreckend, weil meine Partnerin ne Finnin ist und dies einer der Gründe ist, der dazu beigetragen hat das ich nach Finnland gegangen bin. Ich hatte aber auch schon vor nach Skandinavien zu gehen, bevor ich sie kennen gelernt hab. Ein weiterer Vorteil ist, man bekommt gleich zu Anfang nen ganz anderen Einblick in die finnische Gesellschaft, als wenn man völlig allein nach Finnland geht.

Zur Selbstmord-Geschichte: Mir ist erst ein Brückenspringer auf der Autobahn begegnet. Hat aber noch gezuckt, ich denk mal den haben die wieder zusammengeflickt. Die Brücke war auch nicht sonderlich hoch, verdammter Anfänger. :twisted:
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fax
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Beitrag von fax »

Gibt es hier überhaupt Brücken, die hoch genug für solche Zwecke wären?

Zurück zum Thema, die paar Leute, die ich persönlich kannte, die keine familiäre/partnerliche Bindung an Finnland hatten, sind nach ein paar Jahren wieder abgezwitschert. Aber das sollte keinen davon abbringen, hierher zu kommen, ein Auslandsaufenthalt bereichert immer und erweitert den Horizont.
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Antje
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Beitrag von Antje »

fax hat geschrieben: die keine familiäre/partnerliche Bindung an Finnland hatten, sind nach ein paar Jahren wieder abgezwitschert. Aber das sollte keinen davon abbringen, hierher zu kommen, ein Auslandsaufenthalt bereichert immer und erweitert den Horizont.
Kann beides aus meiner Erfahrung bestätigen: Leute, die bleiben, haben finn. Partner. Leute, die gehen, sind ohne finn. Familienanbindung hier gewesen. Man darf nicht vergessen, wie wichtig die Nähe zur Familie ist, besonders wenn es Kinder gibt. Die Integration ist meiner Meinung nach auch eine ganz andere, wenn man die Ünterstützung vom 'einheimischen' Partner hat.

Also ja: Partner hilft, kommt aber auch auf die Art der Beziehung an.

Und ja: Auslandsaufenthalt - egal für wie lange - bereichert. Die Erfahrungen die man jenseits des Tellerrandes macht, sind mit nichts zu vergleichen.

Zur dunkeln Stimmung: ich dachte, ich bin gefeit: (nichtfinnische) Familie, Job, Nachbarn, Freunde. Da hat man doch genug Ablenkung, oder? Zu tun gibts immer was und trotzdem schlägt der Winter auf mein Gemüt. Wollte es erst nicht wahrhaben, ist aber dennoch so. Ich schiebe noch vieles auf mein Nicht-Finnisch-können (Ärger auf Ämtern, unfreundliche Rezeptionisten...) Damit würde ich sicher lockerer auf dt./engl. umgehen, weil ich mich verstanden und ernstgenommen fühle. Hier komme ich mir oft noch wie ein Idiot vor - das trübt die Stimmung manchmal schon gewaltig. Es ist einfach ein ständiger Stress, eine ständige Anspannung, weil man sicht nicht rumdum verstanden fühlt - denk mal an rechtliche Querelen, wenn so was kommt, sind wir doch aufgeschmissen.

Ich erinnere mich, wie sogar ein einfacher Einkauf in den ersten Wochen und Monaten einfach anstrengend war - nichts konnte man lesen, was ist was, was ist da drin... Heute ist das Stoff für nette Anekdoten - damals war das echter Stress, der auf die Stimmung schlug!

Alkohol: ich erlebe keinen Alkoholmisbrauch in meinem Umfeld, aber ich weiß auch nicht, wie beflissentlich der verheimlicht wird. (bzw. wie naiv ich in dieser Hinsicht bin). Ich weiß und höre von Erfahrungen in anderen Familien - meine Erfahrungen hierzu sind also sekundär.

Summa sumarum: mit offenem Geist und offenen Augen in den Auslandsaufenthalt gehen - und unerwartete seelische, emotionale, physische Belastungen fest mit einplanen.
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zoolkhan
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Re: Meine Klischees über Finnland

Beitrag von zoolkhan »

jordekorre hat geschrieben:Hallo!
Damit sich ein Rausch auch lohnt, greift man lieber häufiger zu den "effizienten" Sachen :roll:
Ich liebe effizienz. :lol:

Aber das deutsche sich verwundert zeigen ueber trickgewohnheiten in finland finde ich bizarr.

Schaut euch nur einen beliebigen bericht uebers oktoberfest an
and dem sich vermutlich mehr deutsche pro jahr ins krankenhaus saufen als finnland einwohner hat (naja ungefähr).

Die finnen mit denen ich bereits die ehre hatte um die wette zu saufen haben sich alle selbststaendig wieder nach hause geschafft (erfolgreich ein taxi bestiegen, die richtige addresse gesagt)

Die finnen mit denen ich bereits die ehre hatte um die wette zu saufen wurde dabei nicht agressiv, ich hab nichtmal in downtown helsinki
in den clubs die ich bisher durschstreift habe - eine scene erlebt in der
tuersteher action noetig wurde.. oder in der ich gar angst um meine persoenliche sicherheit hatte.

In hamburg geht die luze ganz anders um wenn man da zu den ueblichen zeiten durch die clubs wandert.

Ich wuerde mal sagen, wechseln wir das thema denn im direktem vergleich verliert der deutsche.
akira
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Re: Meine Klischees über Finnland

Beitrag von akira »

Toby hat geschrieben:Hallo zusammen!

Ich wollte mal fragen, ob mein Klischee von den nordeuropäischen Staaten und damit auch von Finnland der Wahrheit entspricht, dass der Staat bei seinen Bürgern ziemlich tief in die Taschen greift (Steuern, Sozialabgaben, etc.) und auch sonst gerne im Leben der Bevölkerung von der Wiege bis zur Bahre herumreguliert.
Da zu passt vielleicht, dass ich vor ein paar Tagen erst ein gespräch mit einem Kollegen hatte, der sich tierisch darueber geärgert hat, dass sich seine Landsleute einfach alles aufoktroyieren lassen, ohne den Mund aufzumachen. Niemand beschwert sich ueber Dinge, die ihn stören, es wird einfach als gegeben aktzeptiert.
Ich kann selber nicht sagen, ob das wirklich so ist, dazu bin ich noch nicht lange genug in Finnland.

Ich persönlich verdiene hier deutlich mehr als in Deutschland, brutto wie netto. Das hängt aber wohl mit der miesen Bezahlung von Doktoranden in D zusammen :wink: , in Finnland wird da fairer bezahlt.
Lebenshaltungskosten sind schon höher, aber wie schon jemand geschrieben hat, es hängt ja auch von einem selber ab, was man mit dem Geld anfängt. Ich denke, ich persönlich gebe im "alltäglichen Leben" nicht viel mehr Geld aus als in D. Aber natuerlich stösst man hier und da immer wieder auf preise, die einen ganz schön schlucken lassen.
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Micha
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Beitrag von Micha »

Zum Alkoholismus kam dies letzte Woche im ZDF:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/ ... Popup=true

Leider krieg ich's selbst nicht auf und kann es daher nicht beurteilen. Aber daß es ein Alkoholproblem gibt, dürfte ja niemand ernsthaft abstreiten können.
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fax
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Beitrag von fax »

Naja, zwei Minuten runterspulen der üblichen Klischees mit Großaufnahmen einiger Alkoholkranker. Fazit war - die Erhöhung der Alkoholsteuer wird nichts ändern, die Einstellung zum Alkohol muss sich ändern.
Tenhola

Beitrag von Tenhola »

@Micha
Hast nicht viel verpasst. Ich muss ehrlich sagen das ist jetzt wieder einmal richtig deutsch.
Habe gerade kuerzlich im dt. TV eine Sendung ueber Alkoholprobleme in der BRD gesehen. Da werden Discoabende mit Flatrate veranstaltet und alle saufen, bis es wieder aus den Ohren herausläuft. Es ist immer einfacher mit den Fingern auf andere zu zeigen.
Auch iin der Schweiz sieht es nicht besser aus. Die sogenanten Happy Hours waren immer voll besucht. Der Staat hat jetzt verboten (war eigentlich schon) auf Alko reduzierte Preise anzubieten bzw. Flatrate-drinken oder ein Eintrittsbillet als Gutschein fuer Alko zu verkaufen.

http://www.blick.ch/news/schweiz/artikel68732

Prost :occ14
akira
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Beitrag von akira »

Ach du meine Güte, ein großartiger Bericht :roll:
Also ob jeden Tag nach Feierabend die Straßen mit Alkoholleichen gepflastert sind :roll: :roll:
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roelli
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Beitrag von roelli »

Dazu passt wohl diese Meldung von den "Elchen".
Estland - SL Ohtuleht | Mittwoch, 25. Juli 2007
Kampf dem Schnapstourismus

In Estland steigen die Preise für alkoholische Getränke und deren Verkauf wird nun strenger reglementiert. Die estnische Zeitung glaubt, diese Politik könne sich negativ auf den Tourismus auswirken. "Wir sollten nicht glauben, dass so viele Besucher nach Estland kommen, um sich an unserer schönen Natur oder unseren Sehenswürdigkeiten zu erfreuen. Die meisten sind Wodkatouristen, Einkaufsreisende oder Bordellbesucher, und für die gilt das Gesetz der Marktwirtschaft: Wenn die Preise über Gebühr steigen, sucht man sich einen billigeren Ort für sein Vergnügen. Darum geht es doch: Dass wir auf solche Besucher Druck ausüben und den Finnen, die mit ihren Bierpaletten abends aus den Supermärkten am Hafen kommen, sowie den britischen Junggesellenabschieden ein Ende setzen wollen."
http://www.eurotopics.net/de/pressescha ... TICLE19057

Für mich wäre das naheliegendste die Alkoholpreise in Finnland zu senken.:lol:
Nur dadurch könnte man mMn den exzessiven Gebrauch verhindern, den nur darum geht es.
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Varis
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Beitrag von Varis »

Ob ich ohne Partner ausgerechnet nach Finnland gezogen wäre, kann ich nicht sagen. Vermutlich hätte ich den Hintern von allein nicht hochbekommen. Aber ich sehe das nicht als Nachteil, sondern im Gegenteil als Chance.

Ich wurde weder überredet noch gezwungen nach Finnland zu ziehen, ich wusste von Anfang an dass mein Finne diesen Traum hat und dass ich ihn unterstützen und mitkommen würde, falls sich die Chance ergibt.

Ich denke mal, wer Finnland nicht leiden kann und unter gar keinen Umständen hier zu leben bereit wäre, lässt sich auf eine feste Beziehung mit einem Finnen mit starker Heimatbindung eher nicht ein. Wer es dennoch tut und nun jahrelang sein grausames Schicksal beklagt hier leben zu müssen, ist IMO selbst schuld und hat durchaus die Wahl seine innere Einstellung etwas zu überarbeiten.

Der typische Klischeefinne mag unromantisch, wortkarg und etwas schlicht gestrickt sein - dass Finnen nach Deutschland reisen und dort Frauen eins mit dem Knüppel überbraten und grunzend in ihre Höhle zerren, wäre mir aber noch nicht zu Ohren gekommen. 8)


Liebe Grüße von Varis (Opfer)
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zoolkhan
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Beitrag von zoolkhan »

Varis hat geschrieben: dass Finnen nach Deutschland reisen und dort Frauen eins mit dem Knüppel überbraten und grunzend in ihre Höhle zerren, wäre mir aber noch nicht zu Ohren gekommen. 8)
Liebe Grüße von Varis (Opfer)
Stimmt, gegrunzt hab ich nicht, jedenfalls nicht beim ersten date :lol:
Gruss Z. (täter)
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