Deutsche in Finnland

fax hat geschrieben:Kunstfehler gibt es offensichtlich (und wirklich schwerwiegende, siehe Clemens) und es ist gut, dagegen vorzugehen. Sind die jetzt überdurchschnittlich gut oder was soll man daraus folgern?

Bei uns war das Problem hauptsächlich die EnsiApu und z.T. auch das Stadtkrankenhaus. Als sie dann endlich in der Uniklinik Tampere (TAYS, Tampere Yliopiston Sairaala) war, ging das alles vergleichsweise flott (Computertomographie und Operation) ...
ok, die Operation wurde einen Tag verschoben weil am Tag wo es geplant war gleich morgens jemand eingeliefert wurde der sich alle Finger an der Kreissäge abgesäbelt hatte, und das ist halt wirklich "gleich machen oder es ganz lassen" (soweit ich weiss). Dann wurde sie halt stattdessen am nächsten Tag (Sonntag!) operiert.

Auch mit unseren beiden Geburten waren wir im TAYS sehr zufrieden, und die Versorgung bei Austrocknung wegen Durchfall war "ok". Aber bei letzterem zum Teil lange Wartezeit, ja.
Dazu muss man auch noch sagen: wenn man als Erstanlaufstelle direkt in die Kinderpoliklinik kommt, muss man länger warten, als wenn man schon mit einer Überweisung von der neuvola oder vom Privatarzt ankommt.

Sind die jetzt überdurchschnittlich gut oder was soll man daraus folgern?

Ist anscheinend irgendwie ziemlich Glückssache...

-Clemens

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Das Leben ist ein Glücksspiel, und meistens endet es irgendwann tödlich...

Die hervorragenden Seiten des deutsche Gesundheitswesens zeigen sich: "Nur acht Minuten pro Patient". In Finnland sind es immerhin 15 Minuten.
http://www.tagesschau.de/inland/arztreport100.html

Stefan hat geschrieben:

Es steht ja niemandem etwas im Weg, private Ärzte zu konsultieren.

Doch - private Ärzte haben nicht Sonntags Abends um 2050 auf. Und außerdem sehe ich nicht ein, daß ich auf eigene Kosten zum Privatarzt gehen soll, wenn ich gesetzliche Krankenversicherung bezahle.

Kam mir gerade mal so in den Sinn. Das ist doch eine urpreussische Einstellung?

Wenn diese Einrichtung der Allgemeinheit dienen soll, in dem Fall die gesetzliche Krankenversicherung, muss ich auch 20.50 zum Arzt gehen können wenn es die Notlage erfordert.

Auf Finnland beschränken will die Frage nun nicht, weil ich mich gerade letztens mit einem Bekannten über Preussen unterhielt und er meinte die Einstellung wäre auch in D verloren gegangen. Verglichen mit dem was man so gehört hat über Preussen?

Stefan hat geschrieben:

roelli hat geschrieben:Kam mir gerade mal so in den Sinn. Das ist doch eine urpreussische Einstellung?

Ne, eine Urkapitalistische.

Das eben nun gerade nicht, weil dann könntes eher sein das man eben nicht um 20.50 Hilfe bekommt. Wenn man nicht über das hinreichende Kleingeld verfügt, sag ich mal.
Wenn es hinreichend zu verdienen gäbe würden sich sicher auch in Finnland mehr Privatärzte finden die Dienst schieben würden. Flächendeckend! Für wenig Geld einen Rund um die Uhr Dienst macht mMn u.a. nur der idealistische Preussiche Angestellte, weil er weiss das erwartet wird das er da ist.

Für Zahlung erwarte ich auch Leistung. Bzw. für schlechte Leistung bin ich nicht bereit, zu zahlen.

Auf diesen Standpunkt kann man sich m.E. nur stellen wenn man über hinreichend Kleingeld verfügt, am Ende bekommt man dann ein System wie bei dem Teilnehmer unserer Wertegemeinschaft USA. Dort ist es eben nicht möglich eine Krankenversicherung für Alle einzuführen. In diesem Falle braucht kann man auch mal schauen welche Probleme Obama damit hat, diese Einzuführen.

Mit hinreichend Kleingeld meine ich jetzt nicht die diese 3.50€ die wir jetzt zur Gesetzlichen beisteuern, sondern einen Beitrag der ein bisschen Grösser ist.

Stefan hat geschrieben:Für Zahlung erwarte ich auch Leistung. Bzw. für schlechte Leistung bin ich nicht bereit, zu zahlen.

Naja, wenn ich mir anschaue, was ich an Steuern und Abgaben in Deutschland gezahlt habe und das mit Finnland vergleiche, dann zahle ich hier wesentlich weniger. Dann wundert es mich auch nicht, wenn die Leistung geringer ausfällt. Mal abgesehen davon, dass ich als Angestellter praktisch die gleiche Versorgung beim Privatarzt wie in Deutschland habe.

Bin zwar schon ne Weile registriert, habe aber erst jetzt mal wieder seit langer Zeit das Forum besucht und denke jetzt dass ich mich auch einfach mal melden muss. Ich denke am besten dann zu einem Thema das mich am meisten berührt da ich beruflich im Gesundheitssystem tätig bin.
Wir sind eine deutsch/finnische Familie mit 3Kindern und ich bin seit 11/2 Jahren hier als Arzt tätig, habe aber auch schon davor hier gearbeitet. Ich verstehe natürlich die Problem von vielen die sich hier in Finnland aufhalten und Probleme mit vielen Bereichen hier haben. Manche/viele sind ja vielleicht nicht ganz freiwillig hier..(im Gegensatz zu mir, der sich im Moment ein Arbeiten im deutschen System schwer vorstellen kann) und das spiegelt sich natürlich auch in dern Erfahrungen wieder. Erinnert mich ein bischen an das "Ostalgie-Problem" das wir in Deutschland haben. Will nur darauf hinweissen, das es hier viele Vorteile gibt sowohl für Patienten wie auch für die Angestellte. Das Kostenproblem haben wir doch in Deutschland, die Kosten hier sind doch exorbitatn geringer als in Deutschland. Was in Deutschland an Geld verschwendet wir, das merkt man erst wenn man im System drin. Nur mal ein Hinweis: auf meine Arbeit als Arzt hat es natürlich schon Auswirkungen, wenn mein Gehalt nicht davon abhängt das möglichst viele Patienten im Quartal meine Praxis besuchen, natürlich nicht zu oft . Die Überversorgung in Deutschland in vielen Bereichen entbehrt oftmals jeglicher medizinischen Begründung und hat ein Erwartungshaltung geboren, die sich bei Einforderung derselbigen, mir schon pervertiert vorkommt. Paar Stichworte: Neuvola-System, Gesundheitschwestern an Schulen, Effizienz gemessen an Kosten/Gesundheit der Bevölkerung, Qualität in vielen Bereichen aufgrund evidence-based medicine!!!!.
Die Menschen die zu mir kommen sind für mich Patienten und keine Kunden, das ich sie gut behandle enspringt schon der normalen ärztlichen Ethik, die sich in Deutschland finde ich persönlichen ökonomischen Ansprüchen unterordnet (bewusst/unbewusst?) Hier habe ich die Ruhe und die Sicherheit meine Entscheidungen v.a. aufgrund medizinischer Tatsachen zu fällen.....
Na ich hätte noch mehr auf das wurde jetzt schon zu lange......

ganz spontan fahren wir jetzt nach Deutschland, damit sich meine Finnin ihre Knieprobleme (Meniskus)
beheben lassen kann. Im OYS (Uni-Klinik Oulu) hat sie einen frühesten Untersuchungs- bzw. OP-Termin
für den kommenden Winter erhalten
Ganz zufällig kam gestern im Regional-Fernsehen ein Bericht, da wartet ein anderer Patient seit
geschlagenen 1 1/2 Jahre auf einem Termin.

Dagmar hat geschrieben:Weiss jemand ob ich mich als chronisch Kranke auch privat versichern kann und was das ungefähr kostet.

Denn hier im TK fühle ich mich nicht gut aufgehoben.
Einen Arzt habe ich noch nie gesehen , nur eine Schwester und die wollte gleich die gesamte
Medikation verändern, was ich natürlich abgelehnt habe.

Ich habe Asthma, und eine private Krankenversicherung. Die Krankheit wird NICHT ausgeschlossen, und ich habe mich bei privaten Ärzten hier sehr gut aufgehoben gefühlt. Für die Erneuerung der Rezepte bin ich neulich auch beim TK gewesen, lief auch alles problemlos.

Ganz am Rande, da es sich her auch ums Rettungswesen geht: an unserer Straße (ländlich) fanden wir am Samstag früh ein verunglücktes Auto dass im Straßengraben lag, die Räder gen Himmel. Wir riefen dann die Polizei an, die kamen sogar vorbei und versuchten den Fahrzeughalter auffindig zu machen. Heute Morgen war das Auto verschwunden aber das ganze Öl lag noch im Straßengrab. Interessierte wohl niemandem. Da haben wir nochmals die Häke angerufen und endlich kam Feuerwerhr, um das Öl aufzusammeln.

Komische Nachlässigkeit sowas.

Tomppa hat geschrieben:Ganz am Rande, da es sich her auch ums Rettungswesen geht: an unserer Straße (ländlich) fanden wir am Samstag früh ein verunglücktes Auto dass im Straßengraben lag, die Räder gen Himmel. Wir riefen dann die Polizei an, die kamen sogar vorbei und versuchten den Fahrzeughalter auffindig zu machen. Heute Morgen war das Auto verschwunden aber das ganze Öl lag noch im Straßengrab. Interessierte wohl niemandem. Da haben wir nochmals die Häke angerufen und endlich kam Feuerwerhr, um das Öl aufzusammeln.

Komische Nachlässigkeit sowas.

In Finnland? Generell würde ich meinen das hängt mit dem "Dienstweg" zusammen, wenn ihr die Feuerwehr gerufen hättet, wäre das Öl weg gewesen und das Auto noch da.

Ja, in Finnland war das. In Deutschland würde doch kein Auto über Nacht am Straßengraben liegen. Oder Tagelang an der Autobahn-Notspur, wie man das in Finnland öfters sieht. Und muß mich korrigieren, wir haben natürlich nicht "die Polizei" angerufen sondern beides Mal "Häke".

Tomppa hat geschrieben:In Deutschland würde doch kein Auto über Nacht am Straßengraben liegen. Oder Tagelang an der Autobahn-Notspur, wie man das in Finnland öfters sieht.

Erst letztes Jahr wurde das Gesetz geändert, davor durfte die Polizei Fahrzeuge nicht einfach abschleppen lassen:
http://www.saksalaiset.fi/forum/viewtop ... 493#p24493

Hier ein ganz interessanter Artikel über das finnische Gesundheitssystem aus dem dt. Ärzteblatt.