Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
- Clemens
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- Registriert: Fr Mär 07, 2008 2:15 pm
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Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Ich stimme Georg und auch Stefan im Wesentlichen in allen 3 Abschnitten zu (die vorherigen, bevor Sid... ich hab zu lange geschriebn da kamen denen ihre neuen Posts schon dazwischen
Über die TK (Terveyskeskus, ich nenn das Ding immer Arvauskeskus) kann ich selbst nix Konkretes sagen (für mich ist Työterveys etc. zuständig), meine Frau ist aber mit dem TK recht zufrieden. Sie hatte aber auch bisher nie "ernsthaftes", das einzige Mal war ein Bandscheibenvorfall und damit war sie in der EnsiApu des öffentlichen Krankenhauses.
Und zu der EnsiApu dazu ist zu sagen: Wenn man da hin muss ... armes Schwein!
Wie am Threadanfang gesagt:
> ich wuerde, wenn es nicht ein absoluter Notfall wäre um diese Uhrzeit kein Krankenhaus aufsuchen.
Absolut. Und ich gehe davon aus das ist so gewollt. Erstens um zu erreichen dass die Fälle die nicht wirklich eilig sind halt dann doch wirklich erst am nächsten Tag ins TK gehen, und zweitens um so "Schein-" Patienten (alte Leute, denen langweilig ist, etc.) abzuhalten.
Was halt ätzend ist, dass der Grad der Schmerzen da anscheinend NULL Bedeutung hat - nur die Gefährlichkeit (also Herz-, Atmung, möglicherweise bleibende Schäden). Solche kritischen Fälle und was mit Ambulanz eingeliefert wird, werden wohl so schnell wie nur möglich behandelt. Und wenn dazwischen Zeit bleibt, hin und wieder mal einer der die da rumsitzen.
Zum konkreten Beispiel, mit meiner Frau haben wir etwas über 3 Std. gewartet (sie so in Hundestellung auf allen vieren, weil das die einzige Haltung war die Schmerzen auszuhalten; und eine Bekannte sagte dazu: "nur 3 Std.? Das war schnell. Oft wartet man 6 Std.), und als der Arzt uns drannahm, hat bissel das Bein bewegt, paar Sachen gefragt. Dann: "Und was erwarten sie dass ich jetzt tun soll? Das ist vermutlich ein Hexenschuss; nehmen sie Schmerztabletten, und wenn es in 2 Monaten noch nicht besser ist, kommen sie wieder."
So. Sie hat noch gestillt (haben wir auch gesagt), also die Auswahl und Wirksamkeit von Schmerzmitteln doch eher eingeschränkt - Ibuprofen, Paracetamol, Codein maximal. Und das hat schlicht nicht gereicht.
Tage später waren wir dann doch in einer Privatklinik (war billiger als gedacht, 60-80 EUR oder so; wenn ich die Wahl nochmal hätte zahle ich locker 100 EUR also 4-6 Std. zu warten ... aber die PK hat halt zwar auch am WOEnde aber halt nur tagsüber offen. Nachts -- halt nur EnsiApu
Diagnose: Bandscheibenvorfall. Ab in die Uniklinik. Selbst der Kernspin (oder so) wurde noch einen Tag verschoben, dann doch, und als das da war, "sobald wie möglich operieren". Ein "kleine-fingerkuppe-grosses" (ca. 1 cm?) Stück der Bandscheibe raus. Erste Taubheitsgefühle in den Beinen.
Die Operation war für nächsten Tag angesetzt, wurde dann doch noch einen weiteren verschoben weil jemand "meinte sich sämtliche Finger mit der Kreissäge absägen zu müssen" (klar, Unfall, und sowas hat halt echt Priorität), und wurde dann am Sonntag operiert. Sofort keine Schmerzen mehr.
Linkes Bein für Monate nicht brauchbar. Selbst jetzt nach 1½ -2 Jahren ist nicht alles so wie es war - einige Muskeln arbeiten schlicht nicht mehr. Hin und wieder gibt es noch minimale Fortschritte.
So am Rande: wenn die Operation nur 2-3 Tage später gemacht worden wäre, wäre das Bein mindestens zur Hälfte komplett gelähmt geblieben
Das ist so ein Fall wo "wir kritisch ist dieser Fall" irgendwie nicht ernst genug eingestuft wurde.
Wir haben damals echt überlegt Beschwerde einzulegen, Klage, zumindest den Ombudsman, oder so... aber es gelassen, weil wahrscheinlich eh nix rausgekommen wäre.
Aber dass der Betreffende Arzt (ein Nicht-Finne) dafür bekannt ist Leute eher nur mit Schmerzmitteln nach Hause zu schicken als wirklich rauszufinden was nun echt Sache ist, haben wir später auch von anderen gehört.
Dass die TK und EnsiApu nicht so dolle sind wie man sich das wünschen würde, ist m.M. schlicht auch ein Resultat des "müssen kostenorientiert arbeiten". Mal übertrieben: Wenn schon Personalknappheit, i.e. müssen Prioritäten setzen, dann besser alle unkritischen Fälle stundenlang warten lassen und weniger Todesfälle weil dringender Fall nicht schnell genug behandelt. Wäre es euch andersrum lieber?
(das übrigens auch zum Thema "Sterblichkeitsrate" ... )
---
Wie gesagt: Das war ein Einzelfall, ich glaube auch dass man halt immer nur die negativen und die die "was ist denn alles eigentlich ok" Seiten sieht.
Bedarf das zu verbessern besteht bestimmt auch, und ich denke dass da was am Gange ist (so lese ich eure anderen Posts), selbst wenn "erst bis 2010", entspricht m.M. nach der typischen Denkweise: nix überstürzen, auf lange Sicht in Richtung Verbesserung zielen, mit Geld vorsichtig umgehen.
Im allgemeinen bin ich trotz allem lieber dem finnischen Gesundheitssystem ausgeliefert als dem deutschen.
Gruss,
Clemens
Über die TK (Terveyskeskus, ich nenn das Ding immer Arvauskeskus) kann ich selbst nix Konkretes sagen (für mich ist Työterveys etc. zuständig), meine Frau ist aber mit dem TK recht zufrieden. Sie hatte aber auch bisher nie "ernsthaftes", das einzige Mal war ein Bandscheibenvorfall und damit war sie in der EnsiApu des öffentlichen Krankenhauses.
Und zu der EnsiApu dazu ist zu sagen: Wenn man da hin muss ... armes Schwein!
Wie am Threadanfang gesagt:
> ich wuerde, wenn es nicht ein absoluter Notfall wäre um diese Uhrzeit kein Krankenhaus aufsuchen.
Absolut. Und ich gehe davon aus das ist so gewollt. Erstens um zu erreichen dass die Fälle die nicht wirklich eilig sind halt dann doch wirklich erst am nächsten Tag ins TK gehen, und zweitens um so "Schein-" Patienten (alte Leute, denen langweilig ist, etc.) abzuhalten.
Was halt ätzend ist, dass der Grad der Schmerzen da anscheinend NULL Bedeutung hat - nur die Gefährlichkeit (also Herz-, Atmung, möglicherweise bleibende Schäden). Solche kritischen Fälle und was mit Ambulanz eingeliefert wird, werden wohl so schnell wie nur möglich behandelt. Und wenn dazwischen Zeit bleibt, hin und wieder mal einer der die da rumsitzen.
Zum konkreten Beispiel, mit meiner Frau haben wir etwas über 3 Std. gewartet (sie so in Hundestellung auf allen vieren, weil das die einzige Haltung war die Schmerzen auszuhalten; und eine Bekannte sagte dazu: "nur 3 Std.? Das war schnell. Oft wartet man 6 Std.), und als der Arzt uns drannahm, hat bissel das Bein bewegt, paar Sachen gefragt. Dann: "Und was erwarten sie dass ich jetzt tun soll? Das ist vermutlich ein Hexenschuss; nehmen sie Schmerztabletten, und wenn es in 2 Monaten noch nicht besser ist, kommen sie wieder."
So. Sie hat noch gestillt (haben wir auch gesagt), also die Auswahl und Wirksamkeit von Schmerzmitteln doch eher eingeschränkt - Ibuprofen, Paracetamol, Codein maximal. Und das hat schlicht nicht gereicht.
Tage später waren wir dann doch in einer Privatklinik (war billiger als gedacht, 60-80 EUR oder so; wenn ich die Wahl nochmal hätte zahle ich locker 100 EUR also 4-6 Std. zu warten ... aber die PK hat halt zwar auch am WOEnde aber halt nur tagsüber offen. Nachts -- halt nur EnsiApu
Diagnose: Bandscheibenvorfall. Ab in die Uniklinik. Selbst der Kernspin (oder so) wurde noch einen Tag verschoben, dann doch, und als das da war, "sobald wie möglich operieren". Ein "kleine-fingerkuppe-grosses" (ca. 1 cm?) Stück der Bandscheibe raus. Erste Taubheitsgefühle in den Beinen.
Die Operation war für nächsten Tag angesetzt, wurde dann doch noch einen weiteren verschoben weil jemand "meinte sich sämtliche Finger mit der Kreissäge absägen zu müssen" (klar, Unfall, und sowas hat halt echt Priorität), und wurde dann am Sonntag operiert. Sofort keine Schmerzen mehr.
Linkes Bein für Monate nicht brauchbar. Selbst jetzt nach 1½ -2 Jahren ist nicht alles so wie es war - einige Muskeln arbeiten schlicht nicht mehr. Hin und wieder gibt es noch minimale Fortschritte.
So am Rande: wenn die Operation nur 2-3 Tage später gemacht worden wäre, wäre das Bein mindestens zur Hälfte komplett gelähmt geblieben
Das ist so ein Fall wo "wir kritisch ist dieser Fall" irgendwie nicht ernst genug eingestuft wurde.
Wir haben damals echt überlegt Beschwerde einzulegen, Klage, zumindest den Ombudsman, oder so... aber es gelassen, weil wahrscheinlich eh nix rausgekommen wäre.
Aber dass der Betreffende Arzt (ein Nicht-Finne) dafür bekannt ist Leute eher nur mit Schmerzmitteln nach Hause zu schicken als wirklich rauszufinden was nun echt Sache ist, haben wir später auch von anderen gehört.
Dass die TK und EnsiApu nicht so dolle sind wie man sich das wünschen würde, ist m.M. schlicht auch ein Resultat des "müssen kostenorientiert arbeiten". Mal übertrieben: Wenn schon Personalknappheit, i.e. müssen Prioritäten setzen, dann besser alle unkritischen Fälle stundenlang warten lassen und weniger Todesfälle weil dringender Fall nicht schnell genug behandelt. Wäre es euch andersrum lieber?
(das übrigens auch zum Thema "Sterblichkeitsrate" ... )
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Wie gesagt: Das war ein Einzelfall, ich glaube auch dass man halt immer nur die negativen und die die "was ist denn alles eigentlich ok" Seiten sieht.
Bedarf das zu verbessern besteht bestimmt auch, und ich denke dass da was am Gange ist (so lese ich eure anderen Posts), selbst wenn "erst bis 2010", entspricht m.M. nach der typischen Denkweise: nix überstürzen, auf lange Sicht in Richtung Verbesserung zielen, mit Geld vorsichtig umgehen.
Im allgemeinen bin ich trotz allem lieber dem finnischen Gesundheitssystem ausgeliefert als dem deutschen.
Gruss,
Clemens
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Ich misch mich kurz mal mit einer eher allgemeinen Sache ein, aber mir fällt gerade wieder auf, dass diese Meinung hier im Forum recht weit verbreitet zu sein scheint:
Ich find diese Auffassung erschreckend naiv. Ich bin der Meinung, dass euch Unterschiede dieser Art nur deshalb auffallen, weil ihr mit der deutschen Variante "gehirngewaschen" seid. Mit kritischem Denken hat das nichts zu tun, und nur weil man im fremden Land etwas kritisiert (was ja jedermanns recht ist), ist man damit nicht "kritischer" als die Finnen (von denen wohl viele den gleichen Sachverhalt kritisieren, auch wenn man selbst vielleicht nur mit Befürwortern des Systems zu tun hat).
Im eigenen Land nimmt man vieles als "norm" an und ist sich dessen nicht mal bewusst, weil man einfach damit aufgewachsen ist, während es Ausländern viel stärker auffällt, die andere Standards (an Gehirnwäsche) gewohnt sind. Ich will jetzt überhaupt nicht sagen, dass man als Ausländer nix kritisieren dürfte, das ist natürlich sehr wohl erlaubt. Was ich aber als mehr als fragwürdig halte, ist, wenn damit dann Rückschlüsse auf den "finnischen Nationalcharakter" angestellt werden, in Hinblick auf die "kritikfähigkeit" der Finnen allgemein. Gerade so ein Denken würde ich als nicht sehr kritisch bezeichnen.
(Manchmal, in anderen Postings, wurde dafür hier glaub ich auch schon der Begriff "finnische Gehirnwäsche" oder ein Mangel an Fähigkeit zu "kritischem Denken" gebraucht, der die Finnen (im anscheinenden Unterschied zu den Deutschen?) auszeichnet.)Stefan hat geschrieben:Ich denke gerade hier in Finnland neigen die Menschen grundsätzlich zu einer gewissen Glorifizierung von allem, was eigen ist. .. Aufgrund diesem Hang zur Glorifizierung ist sicherlich in vielen Bereichen ein kritischer Blick angebracht.
Ich find diese Auffassung erschreckend naiv. Ich bin der Meinung, dass euch Unterschiede dieser Art nur deshalb auffallen, weil ihr mit der deutschen Variante "gehirngewaschen" seid. Mit kritischem Denken hat das nichts zu tun, und nur weil man im fremden Land etwas kritisiert (was ja jedermanns recht ist), ist man damit nicht "kritischer" als die Finnen (von denen wohl viele den gleichen Sachverhalt kritisieren, auch wenn man selbst vielleicht nur mit Befürwortern des Systems zu tun hat).
Im eigenen Land nimmt man vieles als "norm" an und ist sich dessen nicht mal bewusst, weil man einfach damit aufgewachsen ist, während es Ausländern viel stärker auffällt, die andere Standards (an Gehirnwäsche) gewohnt sind. Ich will jetzt überhaupt nicht sagen, dass man als Ausländer nix kritisieren dürfte, das ist natürlich sehr wohl erlaubt. Was ich aber als mehr als fragwürdig halte, ist, wenn damit dann Rückschlüsse auf den "finnischen Nationalcharakter" angestellt werden, in Hinblick auf die "kritikfähigkeit" der Finnen allgemein. Gerade so ein Denken würde ich als nicht sehr kritisch bezeichnen.
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Die Zahl der Gewaltverbrechen mit Todesfolge ist in Finnland zwei Mal so hoch wie im westeuropäischen Durchschnitt, Quelle Innenministerium z.B. hier http://www.intermin.fi/intermin/hankkee ... 0.2007.pdf
auf finnisch, habe nichts anderes gefunden. Grund für diese hohe Zahl:
Zur Sterblichlichkeit allgemein (auf finnisch): http://www.terveysportti.fi/terveyskirj ... ae02000#s1
Man kann den Reformeifer der Politiker auch anders deuten: als Zeichen, dass die zuständigen Institutionen (Stakes, KTL, Finnohta) ihre Arbeit gut machen und so Reformen eingeleitet werden, bevor das System zusammenzubrechen droht, wie es die Deutschen so gerne machen. An die unendliche Weisheit der Politiker, so etwas aus eigener Erkenntnis herauszutun, mag ich irgendwie auch in Finnland nicht glauben.
auf finnisch, habe nichts anderes gefunden. Grund für diese hohe Zahl:
Zur Sterblichlichkeit allgemein (auf finnisch): http://www.terveysportti.fi/terveyskirj ... ae02000#s1
Man kann den Reformeifer der Politiker auch anders deuten: als Zeichen, dass die zuständigen Institutionen (Stakes, KTL, Finnohta) ihre Arbeit gut machen und so Reformen eingeleitet werden, bevor das System zusammenzubrechen droht, wie es die Deutschen so gerne machen. An die unendliche Weisheit der Politiker, so etwas aus eigener Erkenntnis herauszutun, mag ich irgendwie auch in Finnland nicht glauben.
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Es ist doch hier wie in den Nachrichten. Wie Clemens schrieb, man veröffentlicht nur das Negative, etwas Positives hört man nie. Das wuerde vermutlich auch niemand interessieren.
- Clemens
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Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Ich finde das interessant dass du es liest als "Finnen sind weniger kritikfähig."blaugrau hat geschrieben:Ich misch mich kurz mal mit einer eher allgemeinen Sache ein, aber mir fällt gerade wieder auf, dass diese Meinung hier im Forum recht weit verbreitet zu sein scheint:
(Manchmal, in anderen Postings, wurde dafür hier glaub ich auch schon der Begriff "finnische Gehirnwäsche" oder ein Mangel an Fähigkeit zu "kritischem Denken" gebraucht, der die Finnen (im anscheinenden Unterschied zu den Deutschen?) auszeichnet.)Stefan hat geschrieben:Ich denke gerade hier in Finnland neigen die Menschen grundsätzlich zu einer gewissen Glorifizierung von allem, was eigen ist. .. Aufgrund diesem Hang zur Glorifizierung ist sicherlich in vielen Bereichen ein kritischer Blick angebracht.
Ich find diese Auffassung erschreckend naiv. Ich bin der Meinung, dass euch Unterschiede dieser Art nur deshalb auffallen, weil ihr mit der deutschen Variante "gehirngewaschen" seid. Mit kritischem Denken hat das nichts zu tun, und nur weil man im fremden Land etwas kritisiert (was ja jedermanns recht ist), ist man damit nicht "kritischer" als die Finnen (von denen wohl viele den gleichen Sachverhalt kritisieren, auch wenn man selbst vielleicht nur mit Befürwortern des Systems zu tun hat).
Im eigenen Land nimmt man vieles als "norm" an und ist sich dessen nicht mal bewusst, weil man einfach damit aufgewachsen ist, während es Ausländern viel stärker auffällt, die andere Standards (an Gehirnwäsche) gewohnt sind. Ich will jetzt überhaupt nicht sagen, dass man als Ausländer nix kritisieren dürfte, das ist natürlich sehr wohl erlaubt. Was ich aber als mehr als fragwürdig halte, ist, wenn damit dann Rückschlüsse auf den "finnischen Nationalcharakter" angestellt werden, in Hinblick auf die "kritikfähigkeit" der Finnen allgemein. Gerade so ein Denken würde ich als nicht sehr kritisch bezeichnen.
Ich habe in dem Satz "Ich denke gerade hier in Finnland neigen die Menschen grundsätzlich zu einer gewissen Glorifizierung " hauptsächlich gelesen "die deutschen (allg. Ausländer) die hier in Finnland sind, glorifizieren hier alles." ( => "Finnland ist ja sooo viel besser." ... Vor allem die erst wenige Jahre hier sind).
Erst so nach und nach entdeckt man dann auch die Schattenseiten... (geht mir auch so, und dennoch liegt für mich Finnland immer noch weit vorne).
Aber das "...was eigen ist" am Ende spricht aber eher dafür dass Stefan wirklich die Finnen gemeint hat. Hab ich total überlesen - wohl weil ich es mit "meinem eigenen Denken" auf match bringen wollte ...
naja dass man immer das kritisiert (einem das auffällt) was schlechter (oder einfach nur anders ist als im Heimatland ist ja wohl normal....
- Clemens
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Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Geht mir ähnlich, ausser dass bei mir der Ausdruck "kritisch gegenüber stehen" fehl am Platz ist. Ich bin "zu gehirngewaschen", um angemessen kritisch sein zu können. Will heissen meine "kritiken" sind glaube ich immer SEHR subjektiv.Stefan hat geschrieben:... daß gerade ich Deutschland bzw. fast allem, was dort passiert, ÄUSSERST kritisch gegenüber stehe.
Ich müsste stattdessen sagen: ´´Mir gehen in Deutschland viele Dinge gewaltig und manche weniger deutlich auf den Keks, und in Finnland gehen mir auch ein paar, aber weniger Dinge nur "deutlich" und sehr wenige bis keine "gewaltig auf den Keks" ´´...
-Clemens
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Wie gesagt, ich hab damit nicht gemeint, dass man nix kritisieren darf, und ich bin mir sicher dass Stefan guten Grund dazu hat, auch mit Hinblick auf seine professionelle Erfahrung in diesem Bereich. Das war nicht der Punkt meines Einwurfs. Es ging mir vielmehr darum, zu kritisieren, welche Erklärungen für die kritikwürdigen Umstände herangezogen werden -- nämlich, dass die Finnen ja so *gehirngewaschen* sind und es so *wollen*, obwohl die jeweilige Sache "objektiv" gesehen schlecht ist.
Also Stefan, nix für ungut, ich hab das gar nicht irgendwie persönlich an dich gerichtet gemeint, obwohl ich den Satz von dir als Aufhänger verwendet hab.
Zusammenfassend-- nicht die Kritik an sich, sondern die Reichweite der Erklärung für den kritisierwürdigen Umstand finde ich teilweise bedenklich.
Also Stefan, nix für ungut, ich hab das gar nicht irgendwie persönlich an dich gerichtet gemeint, obwohl ich den Satz von dir als Aufhänger verwendet hab.
Zusammenfassend-- nicht die Kritik an sich, sondern die Reichweite der Erklärung für den kritisierwürdigen Umstand finde ich teilweise bedenklich.
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Kann ich individuell nachfühlen, dass ihr keine Lust hattet, nachzukarten, aber trotzdem schade, weil so der Quacksalber weiter rumquacksalbert.Clemens hat geschrieben:Wir haben damals echt überlegt Beschwerde einzulegen, Klage, zumindest den Ombudsman, oder so... aber es gelassen, weil wahrscheinlich eh nix rausgekommen wäre.
Aber dass der Betreffende Arzt (ein Nicht-Finne) dafür bekannt ist Leute eher nur mit Schmerzmitteln nach Hause zu schicken als wirklich rauszufinden was nun echt Sache ist, haben wir später auch von anderen gehört.
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Stefan hat geschrieben:Ich meinte nicht, daß Finnen weniger kritikfähig sind, sondern weniger kritikwillig. Das hat sicherlich mit dem Aufbau nach dem Krieg zu tun. "kotimainen" wurde extrem propagiert ("Gehirnwäsche") um die Binnenwirtschaft wieder hoch zu bekommen. Und das steckt mit Sicherheit noch in den Köpfen drin. Zudem ist ein gewisser (starker) Trend zum Nationalismus (nicht negativ belegt!) deutlich zu spüren - was ich eigentlich gut finde. Ich denke, Finnland ist in sich eine sehr starke Nation und die Bindung der Finnen zu ihrem Land ist bewundernswert. Allerdings ergeben sich daraus eben auch schon mal Nachteile, wie eine gewisse Beschänkung auf den eigenen Tellerrand, den ich in der Wirtschaft deutlich sehe - fehlender Wettbewerb und Quasi-Monopole in etlichen Bereichen - weil die Finnen eben "stur" im eigenen Land kaufen anstatt mal Google anzuschmeißen und auch nur mal einen Webshop im (Europäischen) Ausland zu suchen.
Es gibt zwar eine neue Generation von kritischeren und weltoffeneren Finnen aber viele (ältere) Finnen sind so kotimainen-fixiert, daß es weh tut.
Diese Denkweise ist genau die, die ich gemeint habe. Im vorigen Post hast du geschrieben, dass du auch in Deutschland vieles äuszerst kritisch betrachtet hast, was dort so die Norm ist. Wie kommt es dann, dass du den Mangel an Kritikfähigkeit/-willigkeit auf die Finnen als solche beschränkst? Wenn du die Deutschen von dieser Eigenschaft auch nicht ausnimmst, dann wäre es doch korrekter zu sagen "die Leute im allgemeinen" als zu suggerieren, es handle sich um eine Eigenart des "finnischen Volks" an sich?
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Da stimme ich Blaugrau zu; ich hatte gerade dazu angesetzt, das umständlicher zu formulieren: Also wenn ich da an die deutsche Mallorcafraktion denke, die die Balearen mit Ostfriesland, nur mit angenehmerem Klima, zu verwechseln scheinen, dann scheint mir das ein universal verbreiteter Wesenszug zu sein.
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Wenn du eigentlich "die Leute im Allgemeinen" meinst, aber stattdessen "die Finnen" schreibst, dann drückst du dich aber sehr miszverständlich aus. Die zweite Gruppe ist im Gegensatz zu ersteren nämlich genau geographisch abgegrenzt, und nimmt dich zum Beispiel aus, da du Deutscher bist, dem diese Eigenschaft dann mehr oder weniger per definitionem nicht (da nicht explizit) zugeschrieben wird.
Dass du allgemein mit dieser Denkweise nicht alleine dastehst, macht die Sache meines Erachtens keineswegs "besser" oder "korrekter". Ich wollte dich auch gar nicht persönlich kritisieren, genau deshalb, weil ich weiss, dass du mit dieser Ansicht nicht allein dastehst, und ich genau diese allgemeine Tendenz hier im Forum (in allen möglichen anderen Kontexten) sehr bedenklich finde.
Und zum dritten Mal, es ist natürlich absolut ok, wenn man das finnische Gesundheitssystem, die Art der Alkoholwerbung oder sonstwas kritisiert. Das war überhaupt nie Gegenstand meiner Einmischung. Sondern dass die Mängel in diesen Bereichen gern mit der "Unkritischheit" der Finnen erklärt werden, ist, was mir auf den Wecker geht hier.
Dass du allgemein mit dieser Denkweise nicht alleine dastehst, macht die Sache meines Erachtens keineswegs "besser" oder "korrekter". Ich wollte dich auch gar nicht persönlich kritisieren, genau deshalb, weil ich weiss, dass du mit dieser Ansicht nicht allein dastehst, und ich genau diese allgemeine Tendenz hier im Forum (in allen möglichen anderen Kontexten) sehr bedenklich finde.
Und zum dritten Mal, es ist natürlich absolut ok, wenn man das finnische Gesundheitssystem, die Art der Alkoholwerbung oder sonstwas kritisiert. Das war überhaupt nie Gegenstand meiner Einmischung. Sondern dass die Mängel in diesen Bereichen gern mit der "Unkritischheit" der Finnen erklärt werden, ist, was mir auf den Wecker geht hier.
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Ich weiss nicht, wer alles die dt. Fernsehsender bekommt, wenn ja schaut Euch doch einfach mal die 2 Auswanderersendungen an, dann bekommt Ihr einen guten Querschnitt ueber die dt, Denkweise im und ueber andere Länder. Man wundert sich manchmal, warum die Leute ihr Land verlassen.
- Clemens
- Beiträge: 583
- Registriert: Fr Mär 07, 2008 2:15 pm
- Wohnort: Tampere (ex. Nähe Frankfurt/Main)
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
die dt. Sender kann ich leider nicht sehen. Wäre bestimmt interessant... obwohl, ich würde bestimmt den einen oder anderen Anfall kriegen, ob der Hirnlosigkeit mancher Leute....Tenhola hat geschrieben:Ich weiss nicht, wer alles die dt. Fernsehsender bekommt, wenn ja schaut Euch doch einfach mal die 2 Auswanderersendungen an, dann bekommt Ihr einen guten Querschnitt ueber die dt, Denkweise im und ueber andere Länder. Man wundert sich manchmal, warum die Leute ihr Land verlassen.
Kann man das irgendwo runterladen, es jemand mal als DVD brennen oder so.... ?
Gruss,
Clemens
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Aargh, wie es scheint reden wir noch immer aneinander vorbei. Aber ist ja auch egal, ich verabschiede mich mit freundlichen Grüszen und einem "nix für ungut" aus diesem Thread, und werde versuchen meinen Punkt bei nächster Gelegenheit vielleicht nochmal besser darzulegen.
Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Was ist mit den Rückkehrern? Ich denke mal, daß ich nicht die einzige Finne/-in im Forum bin... Viele von uns meckern auch über viele Sachen in Finnland, v.a. über das Krankheitssystemblaugrau hat geschrieben:Ich find diese Auffassung erschreckend naiv. Ich bin der Meinung, dass euch Unterschiede dieser Art nur deshalb auffallen, weil ihr mit der deutschen Variante "gehirngewaschen" seid.
...
Im eigenen Land nimmt man vieles als "norm" an und ist sich dessen nicht mal bewusst, weil man einfach damit aufgewachsen ist, während es Ausländern viel stärker auffällt, die andere Standards (an Gehirnwäsche) gewohnt sind.
Ich bin also mit dem finnischen System aufgewachsen, war dann viele Jahre in Deutschland und jetzt wieder seit einigen Jahren zurück hier - und finde viele Sachen in Finnland grottengreißlig.
Mit meiner Meinung bin ich keineswegs alleine und unzufrieden sind auch nicht nur Ausländer oder Rückkehrer (auch von woanders als aus Dtl) sondern auch solche Finnen, die das Land nie verlassen haben. Geringverdienen sind in Finnland angear***t und das steht auch in der Zeitung so (und ist nicht nur auf meinem Mist gewachsen).
Gehirngewaschen sind m.E. die, die das Suomalainen Lintukoto-Denken übernommen haben und empört sind, wenn man das ach so heilige Suomi-Neito mit faulen Eiern bewerfen möchte.
Und: ja, ich möchte mich an die Meinung anschließen, daß die Finnen eher nicht bereit sind, sich über irgendetwas zu beschweren, und das hat sicher v.a. mit der Geschichte zu tun. Noch als meine Großeltern klein waren, haben sie irgendwo in den Tiefen der Häme-ischen Wälder unter russischem Fuchtel gehaust und wären im Traum nicht auf die Idee gekommen, sich bei irgendjemanden über irgendetwas zu beschweren - und das sicherlich nicht, weil es nichts zu beschweren gegeben hätte, sondern weil es niemanden interessiert hätte. Dieses "ich-bin-doch-nur-ein-armer-Bauer-und-habe-nichts-zu-sagen"-Denken sitzt immer noch sehr tief im "Matti Meikäläinen".