Re: Gesundheits- und Rettungswesen in Finnland
Verfasst: Fr Mai 30, 2008 1:31 pm
Ich stimme Georg und auch Stefan im Wesentlichen in allen 3 Abschnitten zu (die vorherigen, bevor Sid... ich hab zu lange geschriebn da kamen denen ihre neuen Posts schon dazwischen
Über die TK (Terveyskeskus, ich nenn das Ding immer Arvauskeskus) kann ich selbst nix Konkretes sagen (für mich ist Työterveys etc. zuständig), meine Frau ist aber mit dem TK recht zufrieden. Sie hatte aber auch bisher nie "ernsthaftes", das einzige Mal war ein Bandscheibenvorfall und damit war sie in der EnsiApu des öffentlichen Krankenhauses.
Und zu der EnsiApu dazu ist zu sagen: Wenn man da hin muss ... armes Schwein!
Wie am Threadanfang gesagt:
> ich wuerde, wenn es nicht ein absoluter Notfall wäre um diese Uhrzeit kein Krankenhaus aufsuchen.
Absolut. Und ich gehe davon aus das ist so gewollt. Erstens um zu erreichen dass die Fälle die nicht wirklich eilig sind halt dann doch wirklich erst am nächsten Tag ins TK gehen, und zweitens um so "Schein-" Patienten (alte Leute, denen langweilig ist, etc.) abzuhalten.
Was halt ätzend ist, dass der Grad der Schmerzen da anscheinend NULL Bedeutung hat - nur die Gefährlichkeit (also Herz-, Atmung, möglicherweise bleibende Schäden). Solche kritischen Fälle und was mit Ambulanz eingeliefert wird, werden wohl so schnell wie nur möglich behandelt. Und wenn dazwischen Zeit bleibt, hin und wieder mal einer der die da rumsitzen.
Zum konkreten Beispiel, mit meiner Frau haben wir etwas über 3 Std. gewartet (sie so in Hundestellung auf allen vieren, weil das die einzige Haltung war die Schmerzen auszuhalten; und eine Bekannte sagte dazu: "nur 3 Std.? Das war schnell. Oft wartet man 6 Std.), und als der Arzt uns drannahm, hat bissel das Bein bewegt, paar Sachen gefragt. Dann: "Und was erwarten sie dass ich jetzt tun soll? Das ist vermutlich ein Hexenschuss; nehmen sie Schmerztabletten, und wenn es in 2 Monaten noch nicht besser ist, kommen sie wieder."
So. Sie hat noch gestillt (haben wir auch gesagt), also die Auswahl und Wirksamkeit von Schmerzmitteln doch eher eingeschränkt - Ibuprofen, Paracetamol, Codein maximal. Und das hat schlicht nicht gereicht.
Tage später waren wir dann doch in einer Privatklinik (war billiger als gedacht, 60-80 EUR oder so; wenn ich die Wahl nochmal hätte zahle ich locker 100 EUR also 4-6 Std. zu warten ... aber die PK hat halt zwar auch am WOEnde aber halt nur tagsüber offen. Nachts -- halt nur EnsiApu
Diagnose: Bandscheibenvorfall. Ab in die Uniklinik. Selbst der Kernspin (oder so) wurde noch einen Tag verschoben, dann doch, und als das da war, "sobald wie möglich operieren". Ein "kleine-fingerkuppe-grosses" (ca. 1 cm?) Stück der Bandscheibe raus. Erste Taubheitsgefühle in den Beinen.
Die Operation war für nächsten Tag angesetzt, wurde dann doch noch einen weiteren verschoben weil jemand "meinte sich sämtliche Finger mit der Kreissäge absägen zu müssen" (klar, Unfall, und sowas hat halt echt Priorität), und wurde dann am Sonntag operiert. Sofort keine Schmerzen mehr.
Linkes Bein für Monate nicht brauchbar. Selbst jetzt nach 1½ -2 Jahren ist nicht alles so wie es war - einige Muskeln arbeiten schlicht nicht mehr. Hin und wieder gibt es noch minimale Fortschritte.
So am Rande: wenn die Operation nur 2-3 Tage später gemacht worden wäre, wäre das Bein mindestens zur Hälfte komplett gelähmt geblieben
Das ist so ein Fall wo "wir kritisch ist dieser Fall" irgendwie nicht ernst genug eingestuft wurde.
Wir haben damals echt überlegt Beschwerde einzulegen, Klage, zumindest den Ombudsman, oder so... aber es gelassen, weil wahrscheinlich eh nix rausgekommen wäre.
Aber dass der Betreffende Arzt (ein Nicht-Finne) dafür bekannt ist Leute eher nur mit Schmerzmitteln nach Hause zu schicken als wirklich rauszufinden was nun echt Sache ist, haben wir später auch von anderen gehört.
Dass die TK und EnsiApu nicht so dolle sind wie man sich das wünschen würde, ist m.M. schlicht auch ein Resultat des "müssen kostenorientiert arbeiten". Mal übertrieben: Wenn schon Personalknappheit, i.e. müssen Prioritäten setzen, dann besser alle unkritischen Fälle stundenlang warten lassen und weniger Todesfälle weil dringender Fall nicht schnell genug behandelt. Wäre es euch andersrum lieber?
(das übrigens auch zum Thema "Sterblichkeitsrate" ... )
---
Wie gesagt: Das war ein Einzelfall, ich glaube auch dass man halt immer nur die negativen und die die "was ist denn alles eigentlich ok" Seiten sieht.
Bedarf das zu verbessern besteht bestimmt auch, und ich denke dass da was am Gange ist (so lese ich eure anderen Posts), selbst wenn "erst bis 2010", entspricht m.M. nach der typischen Denkweise: nix überstürzen, auf lange Sicht in Richtung Verbesserung zielen, mit Geld vorsichtig umgehen.
Im allgemeinen bin ich trotz allem lieber dem finnischen Gesundheitssystem ausgeliefert als dem deutschen.
Gruss,
Clemens
Über die TK (Terveyskeskus, ich nenn das Ding immer Arvauskeskus) kann ich selbst nix Konkretes sagen (für mich ist Työterveys etc. zuständig), meine Frau ist aber mit dem TK recht zufrieden. Sie hatte aber auch bisher nie "ernsthaftes", das einzige Mal war ein Bandscheibenvorfall und damit war sie in der EnsiApu des öffentlichen Krankenhauses.
Und zu der EnsiApu dazu ist zu sagen: Wenn man da hin muss ... armes Schwein!
Wie am Threadanfang gesagt:
> ich wuerde, wenn es nicht ein absoluter Notfall wäre um diese Uhrzeit kein Krankenhaus aufsuchen.
Absolut. Und ich gehe davon aus das ist so gewollt. Erstens um zu erreichen dass die Fälle die nicht wirklich eilig sind halt dann doch wirklich erst am nächsten Tag ins TK gehen, und zweitens um so "Schein-" Patienten (alte Leute, denen langweilig ist, etc.) abzuhalten.
Was halt ätzend ist, dass der Grad der Schmerzen da anscheinend NULL Bedeutung hat - nur die Gefährlichkeit (also Herz-, Atmung, möglicherweise bleibende Schäden). Solche kritischen Fälle und was mit Ambulanz eingeliefert wird, werden wohl so schnell wie nur möglich behandelt. Und wenn dazwischen Zeit bleibt, hin und wieder mal einer der die da rumsitzen.
Zum konkreten Beispiel, mit meiner Frau haben wir etwas über 3 Std. gewartet (sie so in Hundestellung auf allen vieren, weil das die einzige Haltung war die Schmerzen auszuhalten; und eine Bekannte sagte dazu: "nur 3 Std.? Das war schnell. Oft wartet man 6 Std.), und als der Arzt uns drannahm, hat bissel das Bein bewegt, paar Sachen gefragt. Dann: "Und was erwarten sie dass ich jetzt tun soll? Das ist vermutlich ein Hexenschuss; nehmen sie Schmerztabletten, und wenn es in 2 Monaten noch nicht besser ist, kommen sie wieder."
So. Sie hat noch gestillt (haben wir auch gesagt), also die Auswahl und Wirksamkeit von Schmerzmitteln doch eher eingeschränkt - Ibuprofen, Paracetamol, Codein maximal. Und das hat schlicht nicht gereicht.
Tage später waren wir dann doch in einer Privatklinik (war billiger als gedacht, 60-80 EUR oder so; wenn ich die Wahl nochmal hätte zahle ich locker 100 EUR also 4-6 Std. zu warten ... aber die PK hat halt zwar auch am WOEnde aber halt nur tagsüber offen. Nachts -- halt nur EnsiApu
Diagnose: Bandscheibenvorfall. Ab in die Uniklinik. Selbst der Kernspin (oder so) wurde noch einen Tag verschoben, dann doch, und als das da war, "sobald wie möglich operieren". Ein "kleine-fingerkuppe-grosses" (ca. 1 cm?) Stück der Bandscheibe raus. Erste Taubheitsgefühle in den Beinen.
Die Operation war für nächsten Tag angesetzt, wurde dann doch noch einen weiteren verschoben weil jemand "meinte sich sämtliche Finger mit der Kreissäge absägen zu müssen" (klar, Unfall, und sowas hat halt echt Priorität), und wurde dann am Sonntag operiert. Sofort keine Schmerzen mehr.
Linkes Bein für Monate nicht brauchbar. Selbst jetzt nach 1½ -2 Jahren ist nicht alles so wie es war - einige Muskeln arbeiten schlicht nicht mehr. Hin und wieder gibt es noch minimale Fortschritte.
So am Rande: wenn die Operation nur 2-3 Tage später gemacht worden wäre, wäre das Bein mindestens zur Hälfte komplett gelähmt geblieben
Das ist so ein Fall wo "wir kritisch ist dieser Fall" irgendwie nicht ernst genug eingestuft wurde.
Wir haben damals echt überlegt Beschwerde einzulegen, Klage, zumindest den Ombudsman, oder so... aber es gelassen, weil wahrscheinlich eh nix rausgekommen wäre.
Aber dass der Betreffende Arzt (ein Nicht-Finne) dafür bekannt ist Leute eher nur mit Schmerzmitteln nach Hause zu schicken als wirklich rauszufinden was nun echt Sache ist, haben wir später auch von anderen gehört.
Dass die TK und EnsiApu nicht so dolle sind wie man sich das wünschen würde, ist m.M. schlicht auch ein Resultat des "müssen kostenorientiert arbeiten". Mal übertrieben: Wenn schon Personalknappheit, i.e. müssen Prioritäten setzen, dann besser alle unkritischen Fälle stundenlang warten lassen und weniger Todesfälle weil dringender Fall nicht schnell genug behandelt. Wäre es euch andersrum lieber?
(das übrigens auch zum Thema "Sterblichkeitsrate" ... )
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Wie gesagt: Das war ein Einzelfall, ich glaube auch dass man halt immer nur die negativen und die die "was ist denn alles eigentlich ok" Seiten sieht.
Bedarf das zu verbessern besteht bestimmt auch, und ich denke dass da was am Gange ist (so lese ich eure anderen Posts), selbst wenn "erst bis 2010", entspricht m.M. nach der typischen Denkweise: nix überstürzen, auf lange Sicht in Richtung Verbesserung zielen, mit Geld vorsichtig umgehen.
Im allgemeinen bin ich trotz allem lieber dem finnischen Gesundheitssystem ausgeliefert als dem deutschen.
Gruss,
Clemens