Die Grünen wollen Deutsche im Ausland besteuern

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jordekorre
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Die Grünen wollen Deutsche im Ausland besteuern

Beitrag von jordekorre »

Beim Durchlesen der Berichterstattung über den Parteitag der Grünen am vergangenen Wochenende bin ich über etwas gestolpert, das in den Mainstream-Medien nicht so stark beachtet wurde. Um das beschlossene Konzept der Grundsicherung zu finanzieren wird nämlich unter anderem folgendes gefordert:
Daher streben wir eine Lösung ähnlich wie in den Vereinigten Staaten an, deren im Ausland lebende Staatsbürger in den USA einkommensteuerpflichtig sind.
Quelle: Parteitagsbeschluss, Seite 23

Die USA sind das einzige westliche Land, das ihre im Ausland lebenden Bürger besteuert. Dort ist es so, dass man einen gewissen Betrag als Einkommenssteuer im Heimatland zahlen muss, und zwar die Differenz der Einkommensbesteuerung im Land des Wohnsitzes zum Heimatland, falls man im Ausland weniger zahlt als in den USA (abzgl. einer gewissen Anrechnung von Wohnkosten). Dort hat eine Erhöhung dieses Steuersatzes letztes Jahr übrigens dazu geführt, dass Expats mit Doppelpässen vermehrt ihre amerikanische Staatsbürgerschaft zurück gegeben haben.

Nun ist ja Finnland nicht gerade ein Steuerparadies, aber trotzdem würde ich nicht ausschliessen, dass das auch einige hier lebende Deutsche betreffen würde. Allerdings dürfte wohl noch einige Zeit vergehen, ehe die Grünen mal wieder an die Regierung kommen und das dann dort auch durchsetzen können.
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fax
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Beitrag von fax »

Man wundert sich immer wieder. Wie kontrolliert die USA das denn und wie setzt sie solche Steuerforderungen durch?
Tenhola

Beitrag von Tenhola »

@fax das ist relativ leicht, denn man meldet sich mormalerweise auf der Botschaft und von Zeit zu Zeit muss man ja auch einen neuen Pass haben.
Es gibt vermutlich erst einen Pass, wenn man die Steuern bezahlt hat.
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jordekorre
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Beitrag von jordekorre »

Tenhola hat geschrieben:@fax das ist relativ leicht, denn man meldet sich mormalerweise auf der Botschaft und von Zeit zu Zeit muss man ja auch einen neuen Pass haben.
Es gibt vermutlich erst einen Pass, wenn man die Steuern bezahlt hat.
Soweit ich weiss (aber ohne Garantie) gibt's sogar ein Gesetz, dass einem Steuersünder die (Wieder-)einreise in die USA verweigert werden kann. Das wird aber wohl nur sehr selten angewandt. Wie die das kontrollieren ... keine Ahnung. Das Potential zum Austricksen ist wohl dort allgemein deutlich höher als in Finnland.
Sid
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Re: Die Grünen wollen Deutsche im Ausland besteuern

Beitrag von Sid »

jordekorre hat geschrieben:dass man einen gewissen Betrag als Einkommenssteuer im Heimatland zahlen muss, und zwar die Differenz der Einkommensbesteuerung im Land des Wohnsitzes zum Heimatland, falls man im Ausland weniger zahlt als in den USA (abzgl. einer gewissen Anrechnung von Wohnkosten).
Ha, dann kommt also Extrageld aus Deutschland, um mir die zuviel gezahlte finnische Steuer zu bezahlen :kidra . Wie Du schon sagtest, bei Steuerklasse I könnte es eng werden. Ansonsten nie und nimmer :shock:

Und zweite Frage, zieht Finnland die an D bereits gezahlte Steuer dann ab :eusa_think ? :twisted:

Drittens, geht sowas in der EU? Da müssten dann andere Länder mitziehen. Wir richten uns doch nicht nach den Staaten, oder?
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Micha
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Re: Die Grünen wollen Deutsche im Ausland besteuern

Beitrag von Micha »

Sid hat geschrieben: Und zweite Frage, zieht Finnland die an D bereits gezahlte Steuer dann ab :eusa_think ? :twisted:
Auf keinen Fall, denn Deutschland würde ja nach obigem Beispiel on top of Finland besteuern (=Steuer D minus Steuer FIN).

Wenn man sich anschaut, dass in der BRD die namentliche Lohnsteuer neben Soli, Krankenkasse, Pflegevers., usw. nur einen Teil der Abzüge ausmacht und in Finnland der Bärenanteil der Abzüge gesammelt unter dem Namen Einkommensteuer erfolgt, hat man auch daher (in Finnland) weniger zu befürchten.

Zur machbarkeit: in der EU würden sich bestimmt auch andere Länder dafür begeistern lassen. Und kommt vielleicht auch mal, wenn sowieso alles transparenter wird.
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susku
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Beitrag von susku »

Typischer Populismus-Einfall, wo nur an Leute wie Schumi usw. gedacht wird...

Ich denke, dass es irgendwann einmal eine EU-weite Besteuerung geben wird, aber dafür braucht es sicher noch viel Zeit. Schliesslich sind die Systeme schon allein zwischen D und Fin sehr unterschiedlich, hier wird ja z.B. mehr über Steuern finanziert, was in D über Krankenkasse usw. abgewickelt wird.

Das Ganze wurde von den Grünen übrigens schon einmal vorgeschlagen, ist mindestens ein Jahr her und damals habe ich mich schon aufgeregt. Sicher steht es schon länger in ihrem Programm.
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Sid
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Beitrag von Sid »

Eben, in jedem EU Wirtschaftsbuch steht, dass man gerade die Steuern vereinheitlichen soll und durch so ein hin und her gibt es nur noch mehr "Grenzen", wer kriegt was.

Ob jetzt Finnland was bezuschussen wird, war eher ironisch gemeint. :twisted:

Daran dachte ich auch. Die Sozialabgaben sind doch keine Steuer in diesem Sinne und die sind in D viel höher.

Aber mehrheitlich gedacht, kein Deutscher geht doch freiwillig in ein Land, das schwerer versteuert ist, als das eigene. Man ist auf der Suche nach dem Paradies. Nur wir sind so :lol: also eindeutig eine Minderheit.

Und wenn mich meine Kosmetikerin zum 100. mal nochmal fragt: "Jaaaa, wie sind denn die Steuer so und die Lebenskosten? Bestimmt nicht so schlimm wie in Deutschland? Aaaach, höher? Na dann sind die Gehälter auch besser?" Nein, sind sie nicht :twisted: :roll:
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fax
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Beitrag von fax »

Solange du den deutschen Pass hast, kannst du auch einfach eine andere Partei wählen. 8)
Sid
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Beitrag von Sid »

Stefan hat geschrieben:Dazu sage ich nur... 5 Jahre hierbleiben, Sprachtest bestehen und dann mit einem kalten Lächeln den deutschen Pass bei der Botschaft abgeben...
Auch wenn die Steuer eine Schnapsidee ist, so würde ich persönlich nicht vorgehen. Ich identifiziere mich schon damit, denn es war schwer genug meine deutsche Staatsangehörigkeit "wiederzubekommen". Das ist genau so eine Motivation wie bei Kirchenaustritten. Tja, wir Deutschen und das liebe Geld. Ich stelle mir gerade einen Finnen in einer ähnlichen Lage vor. Um Gottes Willen, jooo, se on ihan ok. Maksa vaan. Treu und loyal.
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Circusmaximus
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Beitrag von Circusmaximus »

Sid hat geschrieben:Das ist genau so eine Motivation wie bei Kirchenaustritten.
Wobei ich da als Kirchen-Austreter sagen muss: diese Steuer ist eine Vereinsgebühr und keine Steuer. Dazu noch eine, die mir unter dem Strich gar nichts bringt - und einer Institution zufliesst, der z.b. fast alle Grundstücke u.a. meiner Heimatstadt gehören und die über Jahrhunderte lang Menschen ausgebeutet hat. Die Kohle kann man besser entweder privat anlegen oder halt Greenpeace / Amnesty International etc. spenden...
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roelli
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Beitrag von roelli »

fax hat geschrieben:Solange du den deutschen Pass hast, kannst du auch einfach eine andere Partei wählen. 8)
Wenn ich nur wüsste welche! :eusa_think :scratch
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Sandra
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Beitrag von Sandra »

Sieht so aus als müssten sie Kohle für die nächste Diätenerhöhung sammeln gehen....
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Tomppa
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Beitrag von Tomppa »

Der Vorschlag klingt für mich nach reinem Populismus. In der Presse wird ja immer wieder "Neidjournalismus" betrieben und über niedrige Steuern von Sportlern mit Wohnsitz in der Schweiz oder Luxemburg berichtet (Schumacher usw.).

Die Grünen und SPD müssen ja gegen Schwund an Mitgliedern kämpfen, denn die relativ neue linke Partei lockt mit der deutlich linken Position. Die Grünen und SPD sind ja während der gemeisamen Regierungsjahren deutlich in die politische Mitte gerückt.

Abschied von den ganzen Doppelbesteuerungsabkommen wäre politisch kaum durchsetzbar und evtl. sogar EU-rechtlich als Hindernis für freien Verkehr der Arbeitskräfte zu bewerten (Arbeitnehmerfreizügigkeit).
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jordekorre
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Beitrag von jordekorre »

Tomppa hat geschrieben:Der Vorschlag klingt für mich nach reinem Populismus. In der Presse wird ja immer wieder "Neidjournalismus" betrieben und über niedrige Steuern von Sportlern mit Wohnsitz in der Schweiz oder Luxemburg berichtet (Schumacher usw.).
In diesem Kontext stand das auch in dem Parteitagsbeschluss. Die ersten 23 Seiten des Papiers beschäftigten sich damit, wofür man 60 Milliarden ausgeben will und dann kommt auf 2 Seiten, wie man das Geld eintreiben will. Vorschläge wie dieser vergraulen das Wahlvolk wohl nicht so sehr. Der Fairness halber muss man aber auch sagen, dass das ja noch kein Gesetzentwurf war, sondern "nur" ein Ziel.

Ich glaube übrigens schon, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft eine EU-Steuer bekommen werden. Die wird aber sicher nur einen kleinen Teil des gesamten Steuersatzes ausmachen und den Staaten, Ländern und Kommunen noch genügend eigenen Spielraum lassen, so dass es deswegen nicht wirklich eine einheitliche Steuer geben wird. Innerhalb eines Landes ist das ja jetzt auch nicht der Fall. Würde ich 300 Meter weiter südlich wohnen, dann würde ich einen Prozentpunkt weniger Steuern zahlen...
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