Verkehrskultur

Ideenaustausch zum Thema Leben in Finnland.
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Norbert
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Registriert: Di Okt 17, 2006 1:29 pm

Verkehrskultur

Beitrag von Norbert »

Hallo,

ich momme aus Turku und der Verkehr bzw. die Verkehrskultur ist hier schon ziemlich weit unten. Ich habe allerdnigs den Eindruck, dass es im "restlichen" Finland besser ist.

Beispiele:

1) Zebrastreifen - auch Todesstreifen genannt. Diese Zebrastreifen werden nicht beachtet - die Regelung ist so etwa wie in Deutschland (also wenn jemand Anstalten macht, die Strasse zu überqueren, muss der Autofahrer halten), allerdings die Strafe bei Nichtbeachtung wesentlich höher (ich glaube so 5 Tagessätze). Es gibt sehr viele Zebrastreifen, die eigentlich keinen Wert haben, ja sogar sehr gefährlich sind, da sie nicht beachtet werden (von den Autofahreren).

2) Ampeln: Hier wird fast immer noch bei Rot "über" die Ampel gefahren.
Es gab Anfang des Jahres eine Verkehrsmessung, die auch in der Zeitung veröffentlich wurde, die zeigte den katastrophalen Zustand an.
Aber das war es denn auch.

3) Telefonieren beim Autofahren. Da hält sich nun wirklich keiner dran.

4) Licht: ich sehe hier so viele Autos, deren Licht nicht in Ordnung ist (also bei denen zum Beispiel ein Scheinwerfer nicht funktioniert).

5) Fahrradfahrer fahren eigentlich überall (Strasse, Bürgersteig, ...) meist ohne Licht. Wohl die beste Überlebensstrategie, da sie sowieso nicht von den Autofahrern beachtet werden.

Wie sieht die Verkehrskultur bei Euch aus?

Norbert
Sid
Beiträge: 2390
Registriert: Sa Sep 30, 2006 11:32 pm

Beitrag von Sid »

Ins Schwarze getroffen. Auf Kehä I haben mich heut morgen gleich zwei Deppen geschnitten (bei der Auffahrt einfach zum Bremsen gezwungen). Ich finde die Fahrstile sind extrem. Von arroganten übermutigen Scheuklappenträger bis hin zu scheckenhaften Blockaden…

Zebrastreifen – absolut keine Kultur, ganz schlimm in Helsinki, nicht besser in Porvoo. Wenn ich (als einzige) Anhalte, trauen sich die Leute nicht mal über die Strasse. Andere Extreme in Porvoo, Fahrradfahrer schiessen auf die Strasse ohne zu gucken (nicht nur Jugendliche, auch Lebensmüde), gerade bei der Dunkelheit. Das Winterphänomen an den Ampeln – nur einer schafft durchzufahren, man braucht 3-4 Wechsel wenn endlich alle aufwachen.

Telefonieren muss deutlich höher bestraft warden. Die Idee mit Geschwindigkeit ist nicht so schlecht – gehaltsabhängig. Fast alle haben das Telefon am Ohr und machen a. Unsinn b. fahren im Schneckentempo deswegen

Licht – da stören mich die Ölabgase der Rostlauben eher. Ebenfalls, die liegengebliebene Autos an gefährlichen Stellen wie Ausfahrten, Leitplanken etc. Das ach so tolle Entsorgungssystem.

Fahrradfahrer sind nicht nur ohne Licht sonder oft auch betrunken, denn es gilt inoffiziell als Zulässig, betrunken und ohne Konsequenzen fahrrad zu fahren.

Insgesamt find ich gut, dass in Finnland weniger Lichthupen und Drängler gibt (haben nicht die Möglichkeiten, Autos dazu). Ebenfalls find ich gut, dass trotz Baustelle der Verkehr fliesst. Auch der Umgang mit Schnee ist einigermassen besser.

Allerding find ich die 110 km Alltagsstrecke nicht gerade problemlos. Am schlimmsten wie gesagt die rücksichtslose und nicht den Bedinungen angemessene Fahrt, die Auspuffparker (wenn man im Stau gerade mal die Spur wechseln möchte um runter von der AB/Kehä zu fahren, und jeder zieht alle 10 cm nach, damit man bloss nicht schafft zu wechseln). Ganz schlimm find ich ungesicherte Unfall- oder Baustellen und die davor stehenden Verkehrsanweiser, die man sehr spat sieht.

Auffällig ist, dass jeder Nissan Micra auch die Gegenspur braucht, weil er ansonsten nicht schafft, die am Seitenstreifen geparkte Autos zu passieren. Gängig ist auch abbiegen von der Mitte nach rechts (weil der Kleinwagen wieder mal soooo gross ist, dass er in die Kurve nicht passt) und viceversa plötzlich vom Rand nach links. Die Blinker warden grösstenteils eingesetzt wenn man bereits beim Ausführen des Manövers ist.

Aber man muss es so hinnehmen – immer noch besser als 15 km Stau auf der A1
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Neumi
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Beitrag von Neumi »

Bin ja schon viel rumgekommen, vor allem 4 Jahre Niederländischer Verkehrsteilnehmer haben mich schon sehr geprägt. Deshalb meine Top und Flops hier :

Top :
- wenig Staus
- strikte Auslegung bei Fahren mit Alkohol, viele Alkoholkontrollen
- Pflicht fürs Fahren mit Licht (Ausserorts)
- angemessene Geschwindigkeit (wenn die Verhältnisse gut sind, fahren Alle min. 10 km/h schneller als erlaubt, bei schlechten Verhältnissen fahren die Meisten angemessen langsamer)
- Schneeräumungsdienst ist schnell und zuverlässig
- Winterreifen mit Spikes

Flops :
- nicht beachten der Zebrastreifen (vor allem in Helsinki), in Espoo ists besser
- z.T. sehr schlechte Strassen, üble Strassenschäden
- Egoistische Fahrweise, kaum Rücksichtnahme auf Andere
- Telefonverbot wird rigoros ignoriert
- zu viele russische LKW's
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Rosi
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Beitrag von Rosi »

Autofahren finde ich insgesamt in Finnland einfacher, da nicht so viele Autos und nicht sooo grosse Städte. In den meisten Fällen findet man sich einfach zurecht, da relativ gut ausgeschildert. Allerdings vermisse ich oft das Hauptstrassen- Verkehrszeichen.(das gelb weisse Quadrat)

http://www.verkehrsportal.de/stvo/stvo_42.php

unmittelbar vor der Kreuzung oder Einmündung.
Zeichen 306 - Vorfahrtstraße
Zeichen 306 - Vorfahrtstraße

Oft ist es so, dass es normal rechts vor links geht, manchmal handelt es sich aber bei der von rechts kommenden Strasse um eine Seitenstrasse und dort steht auch ein Vorfahrtsschild, nur leider sieht man das sehr selten von der Hauptstrasse aus. :roll:

Zum Thema Zebrastreifen kann ich nur sagen, dass die auch im Osten Finnlands so gut wie gar nicht beachtet werden. Einerseits verstehe ich dass, man kann nicht immer, und schon gar nicht im Winter, sofort anhalten, wenn sich jemand dem Streifen nur nähert. Allerdings musste ich, als Verkehrsteilnehmer zu Fuss, auch schon ab und zu mal einen grossen Satz rückwärts machen, sonst wäre ich auf der Motorhaube mitgefahren. Trauen tu ich den Fusswegen schon lange nicht mehr!
Meiner Meinung nach gibt es aber viel zu viele Zebrastreifen und die sind an der völlig falschen und unübersichtlichen Stelle, nämlich genau in der Kurve. Wäre der Überweg ein paar Meter von der Kreuzung weg, wäre es f¨r alle sicherer und vor allem übersichtlicher. Dann muss man als Autofahrer nämlich nicht auch noch Fussgänger beachten, sondern kann sich auf die Vorfahrt konzentrieren. Es nervt nichts mehr, als ewig zu warten, dass man losfahren kann, weil man die Vorfahrt gewähren muss und dann traben kleckerweise noch Fussgänger über die Strasse. Glaube auch aus diesem Grund beachtet hier kaum jemand die¨Uberwege, und am wenigsten Taxifahrer in Helsinki.
Bekomme auch immer freudig- verwunderte Blicke, wenn ich anhalte und Leute rübergehen lasse. Wenn ich dann noch mit deutschem Nummernschild unterwegs bin, habe ich auch gleich noch was f¨r den guten Ruf der deutschen Autofahrer getan. :D

Der Begriff des "Mittelstreifenfahrers" bekommt hier ganz neue Dimensionen. Nirgendwo wird so konsequent das Vorhandensein der linken und rechten Fahrbahn ignoriert, wie auf Kehä III. :shock:
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Impa
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Beitrag von Impa »


Der Begriff des "Mittelstreifenfahrers" bekommt hier ganz neue Dimensionen. Nirgendwo wird so konsequent das Vorhandensein der linken und rechten Fahrbahn ignoriert, wie auf Kehä III. :shock:
Hmm na soviele 3-Spurige Fahrbahnen gibt's doch auf dem Kehä III gar nicht... Und dann hört meistens die rechte Spur bald auf. Ist mir auch oft zu nervig zu wechseln vor allem wenn es nicht sicher ist ob man je wieder reingelassen wird.

Tja das Zebrastreifenproblem kenn ich. Hab am Anfang auch immer brav angehalten, pass mich aber so langsam den Finnen an (bin wenigstens ehrlich :wink:) . Nur im Winter wenn's echt schweinekalt ist und ich im warmen Auto sitz oder wenn's regnet halt ich fuer die armen grauen Gestallten da draussen brav an :) .

Stau's bekomm ich hier eigentlich nie mit, da ich etwas ausserhalb von Espoo arbeite und dadurch immer gegen die Hauptberufsverkehrsrichtung fahre.

Aber das mit den russischen LKW's ist echt super nervig. Da gibt's echt hunderte von. Muss jeden Monat einmal geschäftlich in die Nähe der russischen Grenze fahren. Da ueberhol ich einen LKW nach dem anderen. Und die Hälfte davon sind Autotransporter. Teilweise mit asiatischen Automarken die ueber Finnland nach Russland transportiert werden... :roll:
Als neulich mal die Grenze dicht war gab es einen LKW Rueckstau bis hinter Hamina. Ein LKW am nächsten...

Na ja man kann klagen wie man will aber hier in Finnland braucht man einfach ein Auto. Ohne geht hier fast nix wegen den grossen Entfernungen. Bin in D immer ohne ausgekommen aber hier war das eine meiner ersten Anschaffungen
"Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit;aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."
Albert Einstein (1879-1955)
harald
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Beitrag von harald »

Verkehrskultur - gibt`s das hier? In meinem früheren Leben bin ich täglich im Raum München zur Arbeit gefahren, war aber nie so genervt wie hier. Was mich stört:
LKW (FI) Abstand zum Vordermann bei 90 darf nicht grösser als 5m sein
Die russischen LKW`s fahren nach meinen Erfahrungen recht diszipliniert.
Telefonieren ist Pflicht
Neueste Beobachtung:Während des Telefonierens auch noch rauchen.
Blinken wenn überhaupt nach dem Abbiegen oder Spurwechsel
Bei Einfahrt aus ner Seitenstrasse warten bis der Ferkehr nah genug ist um dann ganz langsam einzufahren und möglichst nicht beschleunigen.
Bei den Herrschaften in den blauen Speilanzügen ist bei Kontrollen grüssen wohl unbekannt, und das Wort "bitte" gehört wohl auch nicht zum Wortschatz. Mir kommt da nur immer das Wort vom ungehobelten Bauernfünfer in den Sinn
Sid
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Beitrag von Sid »

Ich würd auch nicht unbedingt von Kultur sprechen...

Was mir noch einfällt:

- das Reaktions(un)vermögen wenn man auf langen Lichtern fährt. Ich schalte um, sobald es in der Kurve an der Autobahn flimmert bzw. ich den Fahrer von der Gegenrichtung sehe. Bin ich denn unsichtbar, weil ich mind. bis 15 zählen kann bis der andere aufhört zu blenden!?

- Auf dem Parkplatz den kürzesten Ausfahrtweg zu nehmen, bzw. links fahren und somit alle einfahrende Fahrzeuge von der richtigen Spur zu verdrängen...

- vorgeschriebene oder höflichkeits- Reissverschlussanordnung zu missachten. Sobald ich Platz für ein einfahrendes Fahrzeug offen lasse, meint die ganze Schlange Autos da reinpassen zu wollen. :evil:
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Antje
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Beitrag von Antje »

Sid hat geschrieben: Reissverschlussanordnung
Ich dachte, die gibts hier gar nicht bzw. niemand hat je davon gehört!

Um mal fortzufahren:

-Parkverhalten - rücksichtslos,d.h. es wir nicht so geparkt, dass noch möglichst viele hinpassen, wie z.B. seitlich an Strassen. Lieber werden grosse Lücken gelassen... :roll:
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Georg

Beitrag von Georg »

Die Laschheit der Polizei hierzulande ist in der Tat erstaunlich, die könnten viel Geld für den Staat verdienen, wenn sie konsequent durchgreifen würden. Zumindest in Helsinki wird ja aber der ruhende Verkehr einigermassen konsequent überwacht.

Andererseits finde ich den Verkehr hier immer noch viel entspannter als in Deutschland. Ich fahre zehnmal lieber durch Helsinki als durch irgendeine deutsche Großstadt. In punkto Dreistigkeit beim Autofahren können sich die Finnen noch eine Scheibe bei den Deutschen abschneiden, auch wenn sie schon fleissig üben.

Zumindest auf der Turun väylä, auf der ich öfters morgens zur Hauptverkehrszeit Richtung Helsinki, kann man auch selten wirklich von Stau sprechen, allerdings öfters von zähfliessendem Verkehr. Sehr anstrengend sind da aber die Zeitgenossen, die meinen, sie hätten immer Vorfahrt.
tina
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Beitrag von tina »

wir haben's erlebt! es gibt finnen - und zwar jede menge davon - die für uns arme fussgänger anhalten! in rovaniemi wird schon von weitem abgebremst, wenn wir nur den anschein erweckten "wir wollen hier rüber"

es gibt also ein nord-süd-unterschied... oder hat da der joulupukki die finger im spiel? .)
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schneemaennchen
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Beitrag von schneemaennchen »

mir ist es in den letzten tagen drei mal passiert, daß ein autofahrer angehalten hat und mich rübergelassen hat. und das obwohl ich mich mit dem fahrrad auf den zebrastreifen zubewegt habe. jedesmal war ich schon mitten im anhalteprozess und ziemlich verblüfft.
keine ahnung was gerade los ist ;-)
scoop
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Beitrag von scoop »

Das war sicherlich ein Europäer :lol:
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Kristina
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Beitrag von Kristina »

Ich habe gehört in Fi gilt für Fahrräder keine Lichtpflicht. Als ich verwundert nachgefragt habe wurde gesagt, dass wenn es dunkel ist man eh nicht fahren kann wegen Eis und Schnee :mrgreen:
maxxl
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Beitrag von maxxl »

Das ist ja eine nette Begründung. Wo mir doch fast jeder Kollege stolz erklärt, daß er als Schüler jeden Tag im Jahr mit dem Fahrrad zur Schule gefahren ist. Sogar bei -20°C 8)
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Anita
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Beitrag von Anita »

So schlimm finde ich die Verkehrskultur eigentlich nicht. Ruecksichtslos wird auch in anderen Ländern gefahren. Vernuenftig einparken können auch viele Deutsche nicht. Und was den Zebrastreifen angeht: Da ich weiss, dass viele Finnen nicht anhalten, bestehe ich als Fussgänger auch nicht auf mein Recht die Strasse hier und jetzt zu ueberqueren. Ich halte selber ja auch nicht an. Ich verlangsame meine Fahrt und hoffe, dass der Fussgänger nicht rueberrennt.
Da ich selber aus dem Ruhrgebiet mit dessen kilometerlangen Staus komme, empfinde ich es als sehr angenehm, dass man hier selbst in den grösseren Städten eigentlich nur während der rush hour zähfliessenden Verkehr hat, aber sehr selten richtig feststeckt.
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