Hallo Stephanie,
ich denke mal, jeder von uns ist in etwas unterschiedlichen Situationen, etwas unterschiedlichen Umfeldern, manche werden hier zum Finnen, mache zur Finnisch-Deutschen Mischung, andere passen sich an und bleiben doch im Herzen Deutsche. Daran finde ich eigentlich nix verkehrt. Ich finde auch nicht, dass hier irgendwie uebermässig gejammert oder so wird. Nun habe ich viel mit Internationalen hier in Finnland zu tun gehabt - bei langem nicht nur Deutschen, sondern allen möglichen Nationalitäten. Der Tenor ist eigentlich (und gerade bei denen, die auch in mehreren Ländern gelebt und gearbeitet haben), dass Finnland kein einfaches Einwanderungsland ist.
Das ist auch ganz verständlich, wenn man sich mal die Geschichte des Landes ansieht. Internationalität ist hier fuer viele ein Schlag- und Modewort. In Realtität ist es jedoch fuer viele Leute hier noch reichlich neu - manchmal auch etwas beängstigend oder bedrohend. Dann kommt noch dazu, dass die finnische Mentalität sich in einigen Dingen reichlich von der zentraleuropäischen unterscheidet. Diese Dinge sind oft aber etwas versteckt ... man merkt sie nicht gleich. Oft fallen sie einem sogar gar nicht als Unterschiede auf - man versteht einfach bestimmte Reaktionen nicht bzw. interpretiert sie falsch (und fuehlt sich dann im schlimmsten Fall abgelehnt, angegriffen oder was auch immer). Distanz ist hier z.B. oft Höflichkeit, fuer Deutsche jedoch oft Ablehnung. Das ist ein klares non-verbales Verständigungsproblem, das man erst einmal verstehen lernen muss.
Warum trotzdem Finnland? Nun, ich denke, auch dafuer hat jeder so seine eigenen Gruende. Jedes Land hat ja auch schliesslich seine positiven und negativen Seiten. Wenn die negativen nicht gerade Ueberhand nehmen, ist doch alles in Butter. Ich finde es aber trotzdem gut, nicht schweigend den Kopf einzuziehen und sich wegen der eigenen Unangepasstheit zu schämen, sondern ueber gewisse Probleme zu reden. Das erleichtert nicht nur, sondern man kann im Gespräch mit "Mitbetroffenen" auch Dinge besser verstehen lernen und Lösungswege finden. Es ist ja auch bei weitem nicht alles negativ. Ich selbst habe z.B. hier auch sehr viele nette und hilfsbereite Menschen getroffen. Es gibt auch viele Dinge, die ich an den Leuten hier echt schätze im Vergleich zu dem, was ich aus D'land kenne. Doch ich habe auch negative Erfahrungen gemacht. Manche dieser negativen Erfahrungen wiederholen sich .. und ich denke, dass es sich dabei zum Teil um Mentalitätsunterschiede handelt (mit denen man umgehen kann, wenn man sie versteht), zum Teil aber auch um Probleme damit, dass ich Ausländerin bin. Positives geniesst man einfach. Das Negative bedeutet mehr Arbeit, weil man lernen muss, damit umzugehen.
ich pendele ja sozusagen zwischen den Welten, lebe teils in Deutschland, teils in Finnland (nicht tage sondern oft blockweise für Wochen). Dies seit mehr als 14 beruflich bedingt.
Ich denke, genau diese Tatsache lässt dich einige Dinge anders sehen. Du bist keine Einwanderin, sondern eine Pendlerin. Damit fallen fuer dich einige Dinge weg (hast sicherlich keine Bekanntschaft mit KELA, Arbeitssuche usw. gemacht). Leute gehen auch anders mit einem um, wenn man quasi nicht dauerhaft irgendwo wohnt. Das ist anders, wenn man sich wirklich niederlässt und quasi einer von ihnen wird. Dabei aber nicht finnisch ist und halt seine ausländischen Eigenheiten mitsich bringt (ohne selbst die meisten ueberhaupt als Eigenheiten zu erkennen).
Sicherlich bewegst du dich auch in einem einigermassen internationalen Umfeld bzw. einer grösseren Firma, wenn du so viel reist. Die Situation wäre bestimmt anders, wenn du z.B. als Bäckerin oder Mechanikerin hier eine Stelle suchen und dich niederlassen wolltest.
LG vom Rentier