Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Fragen zum Familienleben: Partnerschaft sowie Kinder im deutsch-finnischen Umfeld.
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Antje
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Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Antje »

... frage ich jetzt mal so plakativ, nachdem ich den Gedanken schon mal erwähnt hatte und nun von von Simone noch mal drauf angesprochen worde.

http://www.saksalaiset.fi/forum/viewtopic.php?f=18&t=75
Ausserdem mag ich die "Aussenseiterposition" meiner Kinder nicht noch herausstellen oder verstärken, aber das werfe ich vielleicht mal separat in die Runde...
http://www.saksalaiset.fi/forum/viewtop ... =18&t=1549
@antje
an anderer Stelle erwähntest Du kurz die eventuelle Außenseiterposition Deiner
Kinder. Die Diskussion würde ich gerne vertiefen.
Auslöser dieses Gedankens waren u.a. in unserer Anfangszeit hier die vielen extra Gepräche mit Schulen und Kigas. Dabei ging es um ganz alltägliche Dinge, aber auch schwierigere/schwerwiegendere wie z.B. eine fruehere Einschulung. Hinzu kamen Erzählungen von Bekannten und Freunden, deren Kinder gepiesackt worden, weil Mama/Papa kein richtiges Finnisch sprechen können. Davor graute es mir. Momentan sehe ich das lockerer: die Schulkollegen meines Sohnes sind nett und freundlich, kommen gern zu Besuch, mein Sohn ist gut integriert. Wenn sie sich ueber mein rudimentäres Finnisch kaputtlachen, bekomme ich das nicht mit :wink:

Als ich zuerst das Wort 'Aussenseiterposition' hier gebrauchte, meinte ich das damit: ich wollte keine Extrawurst fuer meinen Sohn braten / gebraten haben. Mittlerweile sehe ich das anders: er/wir sind in einer anderen Situation als hierlebende Finnen oder festsiedelnde Ausländer. Wir werden wahrscheinlich nicht zeitlebends hier leben, wir muessen an Umschulungen in andere Länder denken, in denen die Schule 1-2 Jahre frueher startet.

Zweitens habe ich mich selbst an meine Andersartigkeit als Deutsche in Finnland gewöhnt und sie akzeptiert - und kann sie auch fuer meine Kinder akzeptieren. Ich glaube nicht, dass sie dadurch zu Aussenseitern werden - sie haben eben nur eine andere Geschichte zu erzählen.

Ich habe immer noch extra Gespräche and Schule und Kiga - aber die hätte ich wahrscheinlich auch in D oder sonstwo - einfach, weil ich gern wissen möchte, was los ist und welche
Möglichkeiten meinen Kindern offenstehen.

Soweit zu meinen damaligen und jetzigen Gedanken. Habt Ihr auch welche dazu?
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susku
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von susku »

Ein gutes Thema. Unser Baby ist zwar noch klein, aber ich merke jetzt schon, dass wir anders sind... schon allein, weil ich versuche, mit ihr deutsch zu reden. Das ist komisch, wenn wir in Familiencafes usw. sind. Bei mir selbst versuche ich zu vergessen, dass ich nicht perfekt finnisch kann - normalerweise quatsche ich einfach drauflos, was mir in den Kopf kommt. Sonst würde ich mich nur noch verkrümeln... ;)

Andererseits werde ich traurig, wenn ich daran denke, dass sie wahrscheinlich ein 95%iges Finnenkind wird, was wahrscheinlich irgendwann eine Phase hat, in der es gar nicht daran erinnert sein möchte, dass es einen etwas anderen Hintergrund hat. Im Gegensatz dazu hören wir oft (was ja auch stimmt!), dass es ein unheimlicher Reichtum ist, noch eine andere Kultur zu kennen und praktisch im Schlaf eine Fremdsprache zu lernen.

Insgesamt denke ich, dass die Gesellschaft sich verändert und dass es schon in 5-10 Jahren sehr viel mehr Kinder mit internationalem Hintergrund geben wird, so dass sich alles relativiert. Flüchtlingskinder, deren beide Eltern aus ganz anderen (sprich nicht europäischen) Kulturen stammen, sind noch viel schlimmer dran :) Wir holen ab und zu die Kinder von Männes Verwandten aus dem Kindergarten ab und ich freue mich immer, wenn ich dort einige asiatische Kiddies oder welche mit ganz dunklen Haaren sehe. Ist gar nicht mehr so selten.

Noch etwas.. ich versuche mich daran zu halten, nicht allzuviel Extrawürste für Frida zu braten. When in Rome... sie wird also mit 7 in die Schule gehen, ist getauft, hat drei Vornamen, den Nachnamen ihres Vaters usw. Aber natürlich bekommt sie zur Einschulung eine grosse Tüte, wir feiern Ostern und Fasching wie sich das gehört und ab und zu kommt Sauerkraut auf den Tisch :) Also von allem etwas...

Ich habe übrigens immer noch Schwierigkeiten zu verstehen, wie wir als Kinder in Ossiland mit dem Westfernsehen klargekommen sind. Aber es war selbstverständlich, im TV eine andere Welt zu haben als im Umfeld. ES hat mich nie gewundert, die Dinge aus der Werbung nicht "in echt" kaufen zu können. Genausogut wusste ich, was man wo sagen konnte und was nicht. Wahrscheinlich wachsen unsere Kinder also auch mit ihrer Binationalität ganz selbstverständlich auf.
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donald
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von donald »

Bin selber ein Immigrantenkind (Vater aus Italien, Mutter aus Finnland, ich aus der Schweiz) und war schon eher ein Aussenseiter. Aber meine beiden älteren Geschwister hatten diesbezüglich keine Probleme. Auch ich war kein krasser Aussenseiter und ich glaube es lag eher an meinem exzentrischen Charakter. Von daher würde ich sagen, die Herkunft meiner Eltern hat höchstns nur am Rande eine Rolle gespielt. Aber da ich selber keine Kinder habe, kann ich schlecht was dazu sagen, denn aus der Sicht der Eltern sieht so vieles dann nochmal anders aus.
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Sid
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Sid »

Unter Umständen sind wir alle Aussenseiter, nicht nur die Kiddies. Es hängt halt davon ab, an welchen Typ Finnen man trifft. Kleiner Tipp: Von denen voller Vorurteile kann man sich fernhalten. Funktioniert bei mir seit einem Jahrzehnt, und habe einen gut aufgebauten Freundeskreis. :reindeer

Ich würde mir sowas gar nicht zu Herzen nehmen, das lohnt sich nicht.
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Antje
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Antje »

Sid hat geschrieben:
Ich würde mir sowas gar nicht zu Herzen nehmen, das lohnt sich nicht.

Als Erwachsene nehme ich mir das auch nicht zu Herzen, aber fuer die Kinder kann das schon recht hart sein (fuer mich, weil ich dann in Erklärungsnot gerate). Im schlimmsten Fall kommt es wegen dummer Bemerkungen von Gleichaltrigen zur Ablehung allem, was anders - in diesem Fall also Deutsch- ist. Siehe auch: zusätzlicher Deutschunterricht http://www.saksalaiset.fi/forum/viewtopic.php?f=18&t=75

Das Zauberwort "positive Bestärkung" kann uebrigens ganz schön harte Arbeit sein.
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Varis
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Varis »

Hallo,

ich kann da persönlich noch nicht mitreden, da meine Tochter in keinen Kindergarten geht und wir sowieso überall "die Neuen" sind.

Aber zum Thema Außenseiter habe ich ein paar Gedanken.

Ich wurde als Kind und Jugendliche von Lehrer zu Lehrer und von Psychologe zu Psychologe geschickt, weil ich Außenseiterin war. Ich bin in Hamburg geboren, aufgewachsen und ging auch dort zur Schule, meine Familie ist ebenfalls deutsch und mittelständisch, normal gebildet und an uns oder mir ist nichts weiter Auffälliges. Ich hatte nur keine Lust mich mit Kindern meines Alters zu befassen.

Meine Mutter fand das schlimm und hat sich Sorgen gemacht, meinem Vater war es peinlich, meine Lehrer fanden es auffällig und die Psychologen bedenklich und behandlungswürdig.

Dann kam ich zu einem neuen Vertrauenslehrer, ich begann das Gespräch leicht genervt mit "ja ich weiß, ich bin Außenseiter..." und er fiel gleich ein "ja, das ist mir bewusst. Ein Außenseiter ist in den meisten Fällen freiwillig ein Außenseiter."
Und er war der einzige mit dem ich mich je wirklich tiefergehend unterhalten wollte, weil er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Ich war Außenseiter, weil ich Außenseiter sein wollte. Es gab Momente, in denen ich das nicht toll fand und wenn die anderen Kinder auf mir herumhackten, hat mich das genervt und auch mitunter verletzt. Aber es war und blieb meine eigene Entscheidung. Und ich habe sie bis heute nicht bereut.

Ich habe erkannt, dass die anderen Kinder einfach nicht damit umgehen konnten, dass ich nicht dazugehören wollte. Andersartiges Verhalten macht sie unsicher und sie reagieren mit Ablehnung, ich wusste das und habe es in Kauf genommen.

Denn wenn ich mir die "Innenseiter" so angeschaut habe, wie sie sich und ihre eigenen Träume, Wünsche, Bedürfnisse und Talente unterdrücken, um dazuzugehören, aus Angst ausgestoßen zu werden, da hatte ich mehr Freiheiten, nach dem Motto: "Ist der Ruf erst ruiniert..."

Es war auch nicht so, dass ich keine Freunde hatte, ich habe mir die Freunde aber sehr sorgfältog selbst ausgesucht und sie mir nicht vom Klassenverband vorschreiben lassen. Ein Klassenkamerad war für mich nur jemand, mit dem man zufällig zusammen arbeitet. Dass sich daraus zwingend eine Freundschaft bildet, sah ich nicht so.

Der Punkt für mich war, dass ich zwar Probleme hatte (aber welches "Innenseiterkind" hat die nicht?), aber grundsätzlich für meine Situation selbst verantwortlich war.

Unter den Dazugehörenden waren Ausländer, Behinderte, dicke Kinder, Kinder mit Brille oder aus sehr armen Familien. Trotzdem gehörten sie dazu. Ich war nichts von alledem und war trotzdem Außenseiter.

Deshalb glaube ich persönlich (auch nach meinen Erfahrungen als Lehrerin später), dass ein Außenseiter sich seine Position selbst erhält und die Attribute, aufgrund derer er ausgelacht oder ausgegrenzt wird, nur dann interessant sind, wenn er bereits Außenseiter ist.
Es gibt so viele gut sozial integrierte Ausländerkinder, Dicke usw., dass ich nicht glaube, dass so ein Attribut allein schon einen Außenseiter aus einem Kind macht.

Ist natürlich alles nur aus meiner persönlichen Sicht und es mag andere Erfahrungen geben.


Liebe Grüße von Varis
Sid
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Sid »

@Antje

ja, unter Kindern sicher nicht so einfach :( .
Antje hat geschrieben:Im schlimmsten Fall kommt es wegen dummer Bemerkungen von Gleichaltrigen zur Ablehung allem, was anders - in diesem Fall also Deutsch- ist.
Ja, das scheint mir hier sehr deutlich "angelernt" zu sein, hat sicherlich geschichtliche Gründe. Sowas ist doch ziemlich neu in Finnland, dass Ausländer inzwischen immer mehr zum Gesellschaftsbild gehören.

Die ziemlich präsente Vereinheitlichung ist auch im Erwachsenenalter nix für mich.
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Antje
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Antje »

@Varis
Ich stimme Dir und Deinem Vertrauenslehrer zu: Zum Aussenseiter macht man sich selbst. Es gehört aber auch schon ein ausgeprägtes Sebst-Verständnis dazu, sich bewusst von der sogenannten Norm abzusetzen, und damit nicht in innere Konflikte zu geraten bzw. gelassen damit leben zu können.

Meine Kinder wollen "dazu" gehören - sie sind intergriert, und das meine ich in dem Sinne, dass sie glücklich mit ihrer Lebenssituation sind und nicht unter Normdruck leiden. Ich bin gespannt, wann die Bewußstseinsphase einsetzt und sie sich aktiv mit diesen Normen -und ob sie sie einhalten oder ihnen entgehen wollen- auseinandersetzen.

Wie gesagt ist die "Aussenseiterfrage" für mich nicht mehr so wichtig- jedenfalls nihct in Bezug auf Sprache und Herkunft meiner Kinder. Da ich mich im Moment recht "selbstverständlich" fühle, steht hier jetzt auch keine ausgefeilte Überlegung dazu - ich wollte nur das Thema noch mal aufgreifen, da Simones Anfrage kam.

Deinen Bericht, Varis, finde ich beeindruckend. Wie alt warst Du als Du besagten Lehrer trafst?
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Sid
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Sid »

Dann musste man wohl zwichen Aussenseiter-Dasein vs. Ablehnung und Vorurteile differenzieren. Dass man mit den letzteren hier zu kämpfen hat, kann ich mir durchaus vorstellen.
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Jakob
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Jakob »

Varis hat geschrieben:zum Thema Außenseiter habe ich ein paar Gedanken.
Außenseiter. Dieses Thema... na gut.

Ich finde auch, es hängt sehr von einem selbst ab, wie man sich verhält, und ob man offen für seine Mitschüler ist. Ich war während meiner Schulzeit auch lange "Außenseiter". Sicher nicht so extrem und permanent, mal mehr, mal weniger, und es hat mich meist auch nicht so sehr gestört, weil man es ja eben selber will, aber dennoch.

Erstens mal habe ich selbst genau genommen einen gewissen Migrantenhintergrund (meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Rumäne), allerdings kann ich leider überhaupt kein Rumänisch, und in Berlin gibt es sowieso so viele Migrantenkinder, da fällt das überhaupt nicht auf (außer bei meinem Nachnamen, den ich in D jedesmal buchstabieren muss, in Finnland ist das komischerweise nicht so ein Problem). Die zweite Sache ist allerdings, dass ich sofort nach meinem 6. Geburtstag eingeschult wurde, wo noch Mitte der 90er die meisten Kinder in Berlin erst mit sieben eingeschult wurden, und dann nach anderthalb Jahren eine Klasse übersprungen habe, sodass ich immer knapp zwei Jahre jünger war als der Rest. Und das hat sich eben bis zum Abi letztes Jahr durchgezogen. Am schlimmsten war es eigentlich so in der 9./10. Kl., denn ob man 14 oder 16 ist, ist ein gewaltiger Unterschied (Rauchen, Trinken, Kinofilme, Interessen, Lebenserfahrung, alles). In der Oberstufe fiel es gar nicht mehr so ins Gewicht, weil es da sowieso die verschiedensten Leute gab, und wir inzwischen alle erwachsen genug waren um Unterschiede zu tolerieren (konnte eben nur nicht zu Parties, die ab 18 sind). Hab mich jetzt am Ende in der 13 sogar mit Leuten verstanden, mit denen ich früher nie klar gekommen wäre.
Ich wollte aber eben lange Zeit mit vielen meiner Mitschüler nicht so viel zu tun haben, zum einen weil ich meinen eigenen kleinen Freundeskreis hatte, der mir oft reichte (inzwischen aber völlig auseinandergefallen ist), zum anderen weil mich die anderen eben auf Grund des Altersunterschieds nicht akzeptiert haben (und ich es irgendwann auch gar nicht erst versucht habe), und teilweise vielleicht auch aus Arroganz meinerseits (wenn man "Streber" genannt wird, versucht man sich vielleicht unterbewußt zu schützen, indem man sich einredet, dass man den anderen geistig überlegen ist, was wirklich absoluter Unsinn ist, gerade wenn man jünger ist). Ich war in einer gewissen Phase auch ein Jahr in psychologischer Behandlung (Einzel und Gruppe), aber das hat meiner Meinung nach so gut wie gar nichts gebracht, das war einfach die Pubertät, und dass ich eben mit meinen Eltern nicht so gut klar gekommen bin. Oft sagt man ja auch, dass sg. Hochbegabte leicht zum Außenseiter werden, was in Bezug auf den Altersunterschied als Resultat von Klasse(n) überspringen sicher irgendwie stimmt, aber ansonsten auch Quatsch ist. Es gab an meiner Schule fünf Leute, die ihr Abi mit 1,0 gemacht haben, und von denen würde ich nur eine als Außenseiterin einstufen. Mein 1,2er Abi hat dementsprechend also auch nicht das geringste Aufsehen erregt.

Wenn ich mir die Sache so überlege, hatte allerdings meine Außenseiterrolle einen nicht unerheblichen Einfluss darauf, dass ich mich vor zweieinhalb Jahren entschieden habe Finnisch zu lernen. Denn auch das war neben all seiner sonstigen unheimlichen Interessantheit für mich im Endeffekt ein Mittel, mich von der Masse abzugrenzen und mein eigenes Ding zu drehen (wenn ich das den Finnen erzählen würde... :oops: ). Wenn ich in meine Umgebung fest integriert gewesen wäre, hätte ich überhaupt keine Zeit und Ausdauer für so etwas gehabt. Naja, jetzt hab ich mich erstmal nach Finnland abgeseilt, und im Herbst werden die Würfel sowieso wieder neu geworfen.

Aber genug über mich selbst, zum eigentlichen Thema: Außenseiter-Sein kann verschiedene Gründe haben, aber allein ein Migrationshintergrund ist denk ich mal keiner (sofern das Kind denn die Landessprache beherrscht), und schon gar nicht, wenn die Kinder dann etwas älter sind. Zwar sind Berlin und Finnland in dieser Hinsicht in keinster Weise vergleichbar, aber es gibt ja auch hier immer mehr Migrantenkinder. Neulich kam z.B. in Tikkurila ins Zugabteil eine Horde von sechs schwarzhäutigen somalischen (nehm ich an) Mädchen, die miteinander akzentfrei Finnisch sprachen. Da haben dann auch einige Leute ein bischen dumm geguckt, so unter dem Motto: Das blüht uns also in Zukunft. Ich spiele außerdem z.B. in Espoo Tischtennis, und da sind auch ein paar Migrantenkinder (Chinesen, Russen), aber die sind bestimmt keine Außenseiter. Ebenso ein Jugendlicher vietnamesischer Abstammung, den ich kenne. Das heißt natürlich nicht, dass diese Kinder (soviel ich über sie weiß) irgendwie eine schlechte Beziehung zu ihren Eltern haben. Alle können natürlich perfekt Finnisch, das ist zehnmal wichtiger als die Abstammung. Der Freundeskreis hat mit dem Elternhaus irgendwann einfach nichts mehr zu tun, und die Generation von Kindern, die jetzt aufwächst, wird zu Einwanderern schätzungsweise sowieso eine andere Einstellung haben als die davor (von den "suuret ikäluokat" ganz zu schweigen). Zumindest dieser eine russische Junge beim Tischtennis spricht als zweite Muttersprache auch Russisch, aber das braucht er ja keinem sofort erzählen, und dann wird er auch vollständig akzeptiert. Es kommt natürlich schon drauf an, ob ein Kind - sofern es denn Finnisch kann - mit einem Elternteil noch eine andere Sprache spricht (wenn ich Rumänisch könnte, und das mit meinem Vater sprechen würde, hätte ich mich auch definitiv mehr als "Migrantenkind" gefühlt), aber dass das Kind einen Teil der ausländischen Identität verliert, lässt sich sicher nicht vermeiden, wenn man will, dass der Migrationshintergrund keine Intergrationsprobleme verursacht (meine rum. Identität strebt so ziemlich gegen null, was allerdings auch wirklich familiäre Gründe hat...).
Und noch zur Sprache: Ich erzähl inzwischen auch niemandem mehr, dass ich nicht Finne bin (Wozu auch? Was geht den das eigentlich an, oder vielleicht interessiert es ihn auch gar nicht). Und es gibt selbst eine Menge Finnlandschweden, die nicht perfekt Finnisch können. Z.B. heute hat im Fernsehen irgendein Theaterdirektor gesprochen, der keinerlei Akzent oder irgendwas hatte, und dann sagt er auf einmal irgendwie "tämä teki hänestä suurempi mies" (pitää olla: "-- -- suuremman miehen"). Da dacht ich erst: Häh, kann der nicht richtig sprechen? Und dann hab ich nochmal unten auf den Namen geguckt, und da war das irgendein Leif Söderström oder so. Also alles nur halb so wild.
Sid
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Re: Sind unsere Kinder Aussenseiter?...

Beitrag von Sid »

Jakob hat geschrieben: Denn auch das war neben all seiner sonstigen unheimlichen Interessantheit für mich im Endeffekt ein Mittel, mich von der Masse abzugrenzen und mein eigenes Ding zu drehen (wenn ich das den Finnen erzählen würde... :oops: ).
Schön gesagt :oops:
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